Törnbericht: Fast ein wunderschöner Segeltag – von Montu nach Roja
Törnbericht: Fast ein wunderschöner Segeltag – von Montu nach Roja
Published on August 6th, 2011 @ 16:33:53 , using 785 words,
Fast ein wunderschöner Segeltag – von Montu nach Roja
Morgens um 07:30 wache ich auf und um mich selbst unter Druck zu setzen, lasse ich sofort den Motor an und habe 15 Minuten später schon die Leinen los, da kommt der Cerberus schon wieder an und will seine EUR – und als ich nochmals meine Schultern zucke, kommt wieder die gleiche Verschwinde-Bewegung wie gestern abend. Montu – Nein Danke, nicht noch einmal.
Ich will wieder zurück nach Lettland, nach Roja, dass von hier 50 Seemeilen entfernt ist.
Gleich nach dem Hafen ziehe ich Genua und Groß hoch, Wind kommt aus SE 3 und ich übergebe an Admiral von Schneider, nehme meinen Wecker mit ins Cockpit und stelle ihn auf 20 Minuten und lege mich schlafen – die Wodkas und die Biere von gestern abend wollen noch ein wenig Ruhe haben. ( Wenn ich im Cockpit schlafe oder Nachts picke ich mich grundsätzlich an - man weiß ja nie, plötzliche Bö, Albtraum oder was auch immer)
Schönstes Segelwetter, wolkenloser Himmel, ruhige See, kein Schiff zu sehen, einsame Gegend hier, alles bestens.
Um 12:00 Uhr ist Flaute.
Plötzlich sehe ich einen Raubvogel immer wieder um meinen Mast herumfliegen. Ich komme erst nicht drauf, was er will. Dann sehe ich es: Sein Weibchen sitzt schon auf dem Mastkopf auf dem Ausleger, auf dem mein Windex steht, und er möchte wohl neben ihr Platz nehmen und weiß noch nicht recht, wo, denn oben auf meinem Mast sitzt das weiße Rundumlicht mit einer glatten Glaskuppel und davor sitzt mein Notblitz. Immer wieder steuert er meinen Mastkopf an, dann endlich hat er es geschafft. Einträchtig sitzen die beiden nun nebeneinander auf meinem Mast.
Nur, was machen diese Raubvögel hier weitab von Land auf See?
Ich quere den Großschiffahrtsweg und steuere meinen Waypoint am Ausgang der Irbenstraße an, der neben dem gut sichtbaren Leuchtturm am Kap Kolka steht.
Es ist Wind aufgekommen, SE 3-4, und ich kann gerade noch meinen Kurs auf Roja mit 160 Grad halten und laufe mit 5-6 Knoten nun wieder unter Segeln.
Ich rechne. Noch 20 Seemeilen, das sind bei der Geschwindigkeit noch 4-5 Stunden.
Auch schönstes Segeln ist nach einem solchen Tag wie gestern, der mich 22 Stunden auf den Beinen sah, irgendwann doch nur noch Arbeit und ich sehne mich danach, bald in einem Hafen festmachen zu können.
Aber bis dahin sind es noch 5 Stunden und ich muss sehr aufmerksam steuern, weil ich so hoch am Wind bin, dass auch nur ein paar Grad zu hoch am Wind die Genua vorne zum einfallen bringen – und zur anderen Seite habe ich nicht viel Spielraum, weil es dort flach wird.
Ich spiele jetzt mein Belohnungssystem:
Jede volle Stunde gehe ich auf meinem Kartenplotter auf die Navigationsseite, die mir anzeigt, wie weit weg mein Hafen noch ist, und mache mein Spiel: wenn ich mit meiner Schätzung drüber lag, gibt es zwei Schluck und wenn ich drunter lag nur einen - aus der „DYNAMI:T“-Flasche, das ist ein Energy-Drink, und die haben sich sehr bewährt auf diesen langen Törns. Ich Esse kaum etwas an diesen Segeltagen, trinke dafür jeweil nur einen kleinen Schluck pro Stunde von diesen Energy-Drinks und komme so gut den ganzen Tag klar.
Zwischendurch filme ich wie auch gestern und als ich vorne am Bug die Gischt aufnahm, die der Bug von MISS SOPHIE aufschaufelte, kam eine Welle besonders hoch und setze mit ihrer Gischt meinen Camncorder kurz unter Wasser. Ist aber alles gutgegangen.
Um 18:00 hat sich eine sehr unangenehme Welle aufgebaut, die kurz und bissig ist: die Wellen folgen derart kurz aufeinander, so dass zwischen Welle und Welle gerade eine Schiffslänge passt.
Das führt dazu, dass wenn MISS SOPHIE die erste Welle erklommen hat, und dabei aus den 5 kn 3,2 kn geworden sind, sofort danach die zweite Welle erklommen werden muss, was schon nicht mehr mit der Geschwindigkeit und der dadurch schwächeren Kraft gelingt. James muss wieder zur Unterstützung ran.
Auch Jörn Heinrich berichtet von diesen Wellen im Rigaer Meerbusen, die schon bei 4 Windstärken aufkommen und schon da ein Aufkreuzen unmöglich machen können.
Aber James tut sein Handwerk und um 19:00 Uhr laufe ich durch die Molenköpfe und bin nach einigem Suchen nach der sehr schmalen Einfahrt in den kleinen Segelhafen dort wenig später fest.
Ein freundlicher junger Mann kommt auf mich zu, gibt mir einen Stadtplan, entschuldigt sich in bestem Englisch dafür, dass der Warmwasserboiler im Moment kaputt sei, und da jetzt WE sei, auch vor Montag nicht wieder in Ordnung zu bringen ist, da ein bestimmtes Ersatzteil aus Riga geholt werden müsse und er würde mir deshalb nur 5 lat pro Nacht berechnen. Na, geht doch, aber das werden die in Montu vielleicht nie lernen.
Aber das mit dem Warmwasser ist schwerzlich, weil ich dringend eine Dusche gebrauchen würde.
Jetzt bin ich noch zwei Tagestörns von Riga entfernt, Uli kann kommen.
1 Kommentar
Hej Jörg,
Estland hatte ich vor Jahren ganz anders erlebt, viel weltoffener. Allerdings könntest Du auch an die dort übrig gebliebene Minderheit, die sich besonders in früheren strategischen Gefilden aufhalten, geraten sein. Mit Lettland hatte ich damals größere Schwierigkeiten (Riga mal auscgenommen). Wir in Rostock kommen z.Z. auch nicht so recht mit unserem Barock und der Restaurierung weiter. Dabei beginnt in einer Woche die Schule. Ich binn gespannt, wie das ausgeht. Liebe Grüße, Lothar