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Glück

Glück

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Published on August 25th, 2011 @ 09:38:55 , using 690 words,
Glück
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Glück

Glück ist wie eine Katze.


Man kann es nicht haben, man kann es nicht halten, es kommt, wann es will, dann ist es ein Geschenk und es geht wie es will, wie eine Katze: wenn sie es will, geht sie.

Heute war mal wieder so ein Tag.

Heute also machte ich mich auf in die City von Riga, um von dort zum Airport zu fahren und möglichst einen Rayanair-Flug zu buchen, denn Rayanair fliegt Riga-Bremen, was natürlich super ist.

Während der letzten Tage hatte ich den Eindruck, dass der Herbst hier in Lettland angekommen ist: mit Regen, Wind und kaltem Wetter, aber heute schien die Sonne wieder mit der alten Kraft, und es war einfach schön, sie wärmend auf der Haut zu spüren, und zu merken, wie sie die Lebensgeister beflügelte und gute Laune macht und auf den meisten Gesichtern der hier flanierenden Menschen ein Lächeln zauberte.


Als ich so etwas verträumt aus der Touristen-Information trat, wo ich die Busverbindung zum airport erfragt hatte, stellte ich fest, dass ich mal wieder nicht richtig geplant und meine Kreditkarte nicht mitgenommen hatte. Zum Flugplatz ohne Kreditkarte aber schien mir völlig unsinnig zu sein – und als ich gerade anfing, darüber schlechte Laune zu kriegen, weil ich über meine Dösigkeit ärgerlich wurde, merkte ich wieder die Sonne auf der Haut, dachte an die vergangenen nassen Tage und plötzlich hatte ich das Gefühl, diese Sonne - jetzt - hier - auf diesem sonnenüberfluteten Platz in der Altstadt von Riga als ein kostbares Geschenk zu empfinden - zum letzten Mal in diesem Sommer durfte ich diese Sonne genießen und blieb stehen.


Ich warf alle zweckrationalen Gründe über Bord, mich weiter um die Rückfahrt nach Bremen zu kümmern, steuerte einen Caféplatz an, der nach meiner Berechnung noch lange von der langsam sich neigenden Sonne durch eine Gebäudelücke beschienen werden würde und bestellte ein Bier.


Ich merkte, wie alle ungeklärten Rückreisefragen langsam in der Wärme der Sonne versickerten und Platz machten für ein wohliges Gefühl des Nichtstuns und einem Gefühl des gut-aufgehoben-seins in der Welt und ich entspannte mich.


An dem Tisch rechts von mir schnabbelten junge Leute auf englisch, gegenüber war gerade eine deutsche Gruppe aufgestanden, ein junges Pärchen hinter mir schwieg sich auf lettisch an und ich war einfach da.


Eine Erinnerung an ein Erlebnis auf einer meiner traditionellen, österlichen Harzwanderungen kam in mir hoch.

An einem sonnigen Frühlingstag wanderte ich auf einem der Harzer Grabenwege Richtung Bad Altenau, als ich plötzlich wie vom Schlag gebannt stehen blieb:


Hier war es.

Das Zentrum der Welt.

Der geheime, verborgene Ort meines Glücks.


Ich stand wie gebannt.


Und ein mich überschwemmendes Glücksgefühl verschlang mich.


Es war ein großes strahlendes Grasbüschel, das hier im Sonnenlicht stand und mit seinen strahlenden winzig dünnen, aber gleichzeitig so stabilen Halmen wie eine natürliche Monstranz aussah und eine unglaubliche Energie hatte. Eine Lebensfreude und einen Jubel an das Licht, in dem dieses Gras wachsen durfte.


Dieser Jubel an die Sonne war jetzt hier. Mitten in Riga. In dem Moment, als ich aus der Touristeninformation trat, war er da. Es traf mich wie der Blitz. So wie damals im Harz.


Damals aber hatte dies Erlebnis leider keine orientierende Wirkung für die Wirrnisse meines Lebens gewinnen können. Diesmal aber habe ich diesem Erlebnis ein paar entscheidende Orientierungen für mein Leben abgewinnen können.


Ich merkte ganz deutlich, das Abschied in der Luft lag.


Abschied vom Sommer.

Abschied von dieser Stadt.

Abschied von diesem Lebensabschnitt und von meiner Reise mit MISS SOPHIE und

Abschied von einigen persöhnlichen Beziehungen, die ich in Bremen vollziehen würde.


Trauer war darin und Wehmut – und plötzlich genoss ich diese Stimmung, weil sie ein intensiver Ausdruck meines gegenwärtigen Lebens waren.

Das war mein Leben. Jetzt. Hier. In diesem Moment.

Und ich war glücklich.


So verbrachte ich zwei Stunden in der immer noch wärmenden Sonne und konnte mich überhaupt nicht von meinem Platz trennen, weil ich dachte, wenn ich diesen Ort verlasse und aufstehe, dann ist auch der Zauber weg.


Irgendwann war es dann soweit, ich stand auf und ging.


Aber Zauber blieb.


Und weil das Gras an dem Wallgraben so verlockend war, legte mich dort noch eine Weile ins Gras.


Und schwebte weiter.

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