Mal wieder Schlechtwetter - diesmal in Inkoo
Mal wieder Schlechtwetter - diesmal in Inkoo
Published on Juli 11th, 2012 @ 15:09:12 , using 475 words,
Mal wieder Schlechtwetter hier in Inkoo
Seit meiner Ankunft hier in Inkoo liegt ein Schlechtwettergebiet über Südfinnland, mit Kälte, Regen, viel Wind (6 Beaufort) und grauem Himmel und ich werde hier auf MISS SOPHIE richtig durchgeschüttelt, weil ich ganz draussen liege und auch noch vor Boje.
Nur jeden Abend wird das Wetter merkwürdigerweise regelmäßig für ein paar Stunden gut, mit blauem Himmel, Sonne und Wärme.
Aber es gibt ja Bücher.
z.B. Margaret Skjelbred: Lerchenherzen.
Eine norwegische Lebensgeschichte. Im Mittelpunkt steht die wortkarge, etwas spröde Mathilde, Erbin eines größeren norwegischen Bauernhofes, die ein Geheimnis verbirgt, das sich erst am Schluss des Buches entschlüsselt: aber auch nur, wenn man den verschlüsselten Hinweisen (ich zumindest mit Zurückblättern) nachgeht und dann enthüllt sich eine zu Herzen gehende Schicksalsfügung und eine merkwürdige Verdopplung dieses Schicksal, das sich in Solfrid, einem Nachbarskind, für die Mathilde fast eine zweite Mutter ist, zumindest in der Struktur fortsetzt – mit Nils-Jan, der zu Mathilde eine ganz besondere Beziehung hat – ohne dass beide davon Wissen – aber eine Ahnung begleitet ihre Beziehung, ohne das sie damit etwas anfangen zu können.
„Es gibt Augenblicke, da macht unser Lebensweg einen Bogen. Oft durch ein äußeres Ereignis verursacht, aber vielleicht auch genausooft verursacht durch einen Menschen, dem wir begegnen und der uns so unbegreiflich nahe kommt. Oder ist alles ganz anders? Kommen uns Menschen nur in solchen Phasen nahe, in denen wir besonders verletzlich sind und offen, weil wir an einem 'Bogen im Weg' sind?“ (p 27)
Diese Geschichte lässt natürlich parallel zur eigenen Geschichte hochkommen: welches Geheimnis liegt meiner Existenz, meiner Familie zu Grunde? Und dann wird das Lesen zu einem Abenteuer: das Einsteigen in eine fremde Geschichte wird zu einem Einsteigen in die eigene Geschichte, ohne das man sich dessen wirklich bewusst ist - es geschieht einfach beim Lesen.
Aber es ist ein ungeheuer intensiver Leseprozess, weil er beständig auf zwei Ebenen gleichzeitig stattfindet, dem Lesen des Buches und dem Lesen der eigenen Erinnerungen, Assoziationen, flüchtigen Kombinationen – und immer wieder muss dieser Prozess erschöpft unterbrochen werden.
Gut, dann in einer kleinen, schaukelnden, gut festgemachten MISS SOPHIE zu sitzen. Draussen stürmt es, immer wieder legt sich MISS SOPHIE auf die Seite, wenn eine Böe über sie herfällt, der Regen peitscht gegen die Scheiben, es ist dunkel und auf dem Herd fängt das Teewasser an zu summen.
Es gibt eine tiefenpsychologische Familien-Theorie, nach der jeder Familie sozusagen als Bindekitt ein von den Beteiligten tief gehütetes, ihnen meist selbst verborgenes Geheimnis zu Grunde liegt. Das hüten dieses Geheimnisses ist sozusagen das soziale, psychologische Bindemittel dieser Individuen.
Fällt mir gerade dazu ein.
Die Bilder versuchen, diese kleine Stadt in Finnland zu beschreiben, wobei ich die großzügige Schule weggelassen habe und nur das zeige, was sich dem Blick zunächst offenbart.
Ich sitze mal wieder in diesem kleinen, der Bibliothek angegliederten Cafe, und schreibe meinen Bericht, aber jetzt zeige ich es auch.
1 Kommentar
Lieber Jörg, ich weiss nun nicht, ob es solch ein Geheimnis gibt, geben muss! Wie ist damit ein gedeihliches Zusammenleben in neuen Partnerschaften möglich? Oder finden nur Menschen mit ähnlichen Geheimnissen zusammen? Für Deine Literatur ist das wunderbar und ich folge dem unwiedersprochen. Ich erlebe gerade auch ein Geheimnis über dem Atlankik blickend. Das Wasser glitzert hell…Liebe Grüße, Lothar