17 Stunden an der Pinne von Lapohja in Finnland nach Heltermaa, Estland.
17 Stunden an der Pinne von Lapohja in Finnland nach Heltermaa, Estland.
Published on August 11th, 2012 @ 14:01:28 , using 644 words,
Der Wecker klingelte um 04:30 – und mit einem Schreck prang ich aus der Koje, denn er hätte um 03:30 wecken müssen. In Windeseile wurde eine Kanne Tee gekocht und Brot und Käse und eine Flasche Energydrink ins Cockpit verfrachtet und dann die Leinen los und weg.
Durch die (für mich) komplizierte Ausfahrt aus dem finnischen Archipelagus mit seinen tausend kleinen und größeren Inseln ging ich noch unter Motor, dann, draussen vor der Küste, setzte ich Segel. Nord-Ost 4, manchmal ging der Wind auch in die 5, und MISS SOPHIE spurtete los. Im Schnitt um die 5 kn, manchmal auch 6,5 – und wenn es 7 wurden, jubelte innerlich mein Herz.
Mein Kurs verlief 190 Grad. Da ich den Wind ein wenig achterlich als querab hatte, musste ich höllisch aufpassen, dass mir vorne die Fock nicht einfiel.
Auf die Selbststeueranlage musste ich deshalb leider verzichten, weil sie bei dem Schlängelkurs, den sie steuert, heillos durcheinander kommt, wenn dann immer die Fock einfällt und im übrigen konnte ich mir die dadurch bewirkte Geschwindigkeitseinbuße nicht erlauben.
Ich hatte die stattliche Zahl von rund 80 Seemeilen (140 km) zu bewältigen, was alleine schon bei einer kontinuierlichen Geschwindigkeit von 5 kn 16 Stunden Segelzeit bedeuten würde. Letztlich war ich 17 Stunden ohne Unterbrechung an der Pinne.
Dann kam ich in den Dampfertrail – und da war viel los. Helsinki, Tallinn und St. Petersburg werden über diesen Weg erreicht und entsprechend groß ist das Schiffsaufkommen hier. Insgesamt 7 Großschiffe hatte ich aus beiden Richtungen vor mir und bei zwei musste ich auch kurzfristig beidrehen, weil der Wind eine Kursänderung hinter ihr Heck nicht erlaubte.
Aber das war auch gut so, ein Toilettengang stand eh an und eine kurze Verschnaufpause tat mir auch gut, denn das Steuern mit der beständig vom Einfallen bedrohten Fock kostete Konzentration und Energie.
Energie kostete auch die Länge der Zeit an der Pinne, wo es ausser Wasser nichts zu sehen gab. Dann ermüdet sehr schnell das Auge und die Konzentration und man muss sich dann noch mal konzentrieren, um die nötige Aufmerksamkeit zu behalten.
Langsam baute sich im Finnischen Meerbusen auch ein kleiner Seegang auf, der schätzungsweise 1,5 Meter hoch war – aber es waren auch 2 Meter Wellen dabei, die, wenn sie sich direkt hinter meinem Heck aufwarfen und dort brachen, mir ihre Gischt ins Cockpit schäumten.
Wie gesagt, aufmerksames Steuern war angesagt – und das über 17 Stunden ohne Pause und Unterbrechung.
Irgendwann setzte ich ins Großsegel ein Reff, weil MISS SOPHIE unter der achterlichen großen Segelfläche des Groß (20 Quadratmeter) immer wieder seitlich auszubrechen versuchte.
Um 17:30 dann hatte ich dann meinen Waypoint 1 erreicht, dort, wo das Wasser langsam flacher wird und ein leichter Zick-Zack-Kurs zwischen die estländischen Inseln Hiiumaa und Vormsi führt. Jetzt waren es noch 15 sm.
Der Wind war jetzt ENE (Ost-Nord-Ost) gute 4 mit Anteilen von 5 und ich nahm, weil das beständige Austarieren von Groß und Fock anstrengendes Segeln ist, das Großsegel runter und ließ mich von der Fock ziehen. Das war gut 1 kn weniger Geschwindigkeit, aber dass konnte und wollte ich mir hier gönnen, weil meine Konzentration auch ein wenig nachließ und die noch zu segelnde Strecke jetzt auch kalkulierbarer geworden war.
Als ich den Leuchtturm von Vormsi querab hatte, hatte ich den Landschutz von der Insel und das Wasser wurde sanft wie das Fell einer Katze.
Langsam näherte ich mich meinem Bestimmungshafen, auf den gerade eine Fähre zufuhr und ich scherte in die sehr schmale, betonnte Zufahrtsrinne ein und musste noch etwas ausserhalb der Betonnung einer entgegenkommenden Fähre ausweichen – dann war ich im neuen Yachthafen.
Ich war im Grund genommen zu müde, um noch mein vorgekochtes Essen zu mir zu nehmen. So blieb es bei ein paar Bissen davon, ein wenig Brot mit der leckeren selbstgemachten Himmbeer-Rhabarber-Marmelade von Elli und dann gönnte ich mir einen LAPHROAIG Whisky, ein Geschenk von Björn auf Helgoland und verkroch mich in die Koje.
Draußen sang die Takelage – es blieb bei den 4-5 Windstärken auch über Nacht.
1 Kommentar
Das hört sich ja nun nach unheimlich schnellem Aufbruch und Abgang an, lieber Jörg! Dabei hatte die Gastfreundschaft in Finnland erst so richtig begonnen, zumal Dein Boot plötzlich vermisst wurde, wenn ich alles recht gelesen habe. Aber die Erinnerung in der Marmelade blieb…ich bin weiter gespannt, Lothar