von Jörg Streese

Von Norrfladen nach einem Schreck an den kleinen Steg in Högsara

Von Norrfladen nach einem Schreck an den kleinen Steg in Högsara

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Published on Juni 29th, 2013 @ 12:57:00 , using 937 words,
Von Norrfladen nach einem Schreck an den kleinen Steg in Högsara
Von Norrfladen nach einem Schreck an den kleinen Steg in Högsara
Von Norrfladen nach einem Schreck an den kleinen Steg in Högsara
Von Norrfladen nach einem Schreck an den kleinen Steg in Högsara

 

2013_06_24 

Von Norrfladen nur einen Sprung weiter nach Högsara verholt

 

Auf der Karte hatte ich eine benachbarte Schäre entdeckt, in der ein ähnlich geschützter Ankerplatz wie mein jetziger ist und da wollte ich hin.

Um 13:00 Uhr mach ich los, bin gerade dabei die Fock zu setzen, als ich bemerke, dass das Display des Kartenplotters schwarz geworden ist.

Ein Schreck tobt durch mein Gehirn.

Ohne Kartenplotter wird es hier für mich allein sehr sehr schwierig.

Der Sache muss sofort auf den Grund gegangen werden.

 

Ein Blick in die Runde zeigt mir ein paar Yachten und einen kleinen Steg am Horizont, ein Blick auf die Karte zeigt, dass der Weg dorthin tief ist und bald bin ich da, Karabinerhaken des Ankergurtbands in die Boje eingepickt, nach vorne und ich bin fest.

Messgerät raus und Strohmführung überprüft. OK.

Gerätesicherung überprüft. OK.

Aber am Gerät keine Spannung.

Ich mache den Schaltkasten auf, gehe die Leitungen durch und da entdecke ich es. Das Kabel der Null-Leitung hatte sich abgelöst, hatte wohl zu wenig Spiel bei den Operationen, die ich hier gestern zu machen hatte, um den Pieper des Echolotes anzubringen, und hat da wohl schon einen kleinen Bruch am gelöteten Ende bekommen, der sich jetzt ganz gelöst hatte.

Problem gelöst, aber jetzt wollte ich hier bleiben, denn auch hier war es sehr ruhig und beschaulich.

Oben am Steganfang gab es eine kleine Bude mit ein paar Kartoffeln, Dosen, Wasser und Getränke und für die Nacht brauchte ich nur 12 EUR zu zahlen und an Land gab es die hier üblichen Kompost-Toiletten auf Mulchbasis.

Ich fing an zu kochen: Ein achtel Wirsingkohl, sehr klein geschnitten, zwei kleinere Karotten, zwei kleinere Zwiebeln, 6 Knoblauchzehen, Salz, Pfeffer und etwas Chili, alles in den WOK und nach 10 Minuten ein Glas Bulgur dazu, gut umrühren, zweieinhalb Glas Wasser drauf, umrühren, Deckel drauf und immer mal wieder schauen, dass es unten nicht anschmort.

Als ich nach dem Essen mit A.E.Johann, Abenteuer der Ferne, das Uwe mir dagelassen hatte, hinten in der Plicht sitze/liege, stelle ich dicht neben mir links das in Finnland so kostbare Glas Bier, als sich ganz blitzartig kurz mein Unterbewusstsein meldet: „Streese, stellt da nicht dein wertvolles Glas Bier ab“, so kurz, dass selbst ein Blitzlicht daneben wie eine Ewigkeit gedauert hätte.

Aber jetzt kam mein Ich-Bewusstsein in Fahrt, denn sowas konnte es natürlich nicht dulden: „Wer kann es wagen meinen Herrn und Gebieter mit Vorschlägen zu versehen oder gar kritisieren – ist ja eine unglaublich Anmaßung. Also schweig still“.

Dieser bissige Dialog zwischen den beiden in mir kämpfenden Bereichen spielte sich natürlich in Millisekunden ab und blitzte nur ganz kurz in meinem Bewusstsein auf, denn ich war ja am Lesen und schon war alles weg und ich wieder im Buch vertieft.

Irgendwann merkte ich, dass meine Sitzposition nicht die bequemste war und ruckelte mich etwas zurecht – da war es geschehen: das Glas mit dem hier wertvollen alkoholischen Bier kippte um und der kostbare Inhalt rann den Gangway runter, um im Speigatt in den Fluten zu versinken.

Ich bekam einen gehörigen Schrecken, denn natürlich war mir sofort bewusst, was das hieß: meine heutige Tagesration war damit für immer verloren.

Kaum bemerkte ich die leise Trauer über diesen Verlust, als ich ein ganz tief von innen ankommendes gickern wahrnahm.

Machte sich da etwa mein Unterbewusstsein über mich lustig? Sagte da nicht eine innere Stimme ganz sachlich und fast unhörbar:“Na, was habe ich gesagt?“

Und hatte ich nicht in meiner Analyse gelernt, wenn immer ich solche Impulse verspüre, sie so ernst wie nur möglich zu nehmen?

Ich legte mein Buch aus der Hand und rekonstruierte die Situation.

War mein Unterbewusstsein ein Hellseher? Hatte es hellseherische Fähigkeiten oder steuerte es sogar meine Handlungen nach seinem Willen? Woher wusste es schon vorher, dass ich jene, das Glas umwerfende Bewegung machen würde?

Hatte es etwa schon durch die ihm ja unmittelbar zugängliche Tatsache der unbequemen Lage geschlussfolgert, was danach irgendwann kommen würde? Hatte es nicht selbst über die körperlichen Empfingungen den Anstoß dazu gegeben, meine Sitzposition zu ändern? Denn wer anderes als mein Unterbewusstein hat ein vollständiges Wissen über alle meine körperlichen Zustände, vor allem, wenn diese andeuten, nicht seinen Ansprüchen zu genügen?

Das wertvollste Ergebnis meiner vor langen Jahren gemachten Analyse war und ist, dass ich mich solchen Gedanken im unmittelbaren Gefolge eines solchen kleinen aber auch größeren Unglückes völlig ruhig und emotionslos hingeben kann, ganz in mich versunken und ganz bei mir seiend erlebe und in mich hineinhören und dem inneren und äußeren Geschehenen nachspüren kann.

Das sind für mich ganz wichtige Vorgänge, die selbst in den turbulentesten Situationen für mich möglich sind: Dann schließe ich mich wie in eine Nusschale ein und bin für Sekunden aber auch für längere und lange Zeiten wie in einem Kokon und spüre meinen inneren Zuständen, Gefühlen, Regungen und sonstigen Botschaften nach.

Und erlebe dabei immer wieder ein Glücksgefühl.

Ich erlebe mich dann nicht als Opfer meines Körpers, sondern ich erlebe ihn als  m e i n  Körper, mit dem ich Freundschaft halten möchte, weil ich mit ihm den Dialog brauche.

Mein Körper beherrscht mich. Ohne das ich (wir) das merken.

Mein Ichbewusstsein aber kann das nicht zulassen, weil es sich als Herr im Hause empfindet.

Und manchmal, ganz selten, könnte man denken, auch ist.

 

Nichts da.

Die Gedanken sind frei.

Sind sie das?

Wundervoll, dieses Leben.

Vor allem an Bord von MISS SOPHIE.


Anmerkung zu den Bildern:

Der nachdenkliche Skipper, nachdem ihm das kostbare Glas Bier umkippte

Den Segelgnom fand ich hier auf einer Schäre und von mir bekam er seine Augen, die nun achtsam ein Auge auf MISS SOPHIE werfen werden, weil er hinten an der Rettungsweste einen guten Ueberblick ueber das Schiff hat.



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