von Jörg Streese

2014 - Aufbruch Richtung Riga

2014 - Aufbruch Richtung Riga

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Published on Mai 14th, 2014 @ 20:59:00 , using 666 words,
2014 - Aufbruch Richtung Riga
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2014 - Aufbruch Richtung Riga

 

Am 30. April breche ich in Bremen bei bestem Wetter auf: auf dem Rücken einen 70 Kg schweren Spezialrucksack von Ortlieb, unter dem linken Arm vier Sätze geliehene schwedische Seekarten und in der rechten Hand eine Plastiktüte mit etwas zu knabbern, zu trinken und ein dickes Buch zu lesen - denn ich werde jetzt 30 Stunden in einem Bus sitzen und wenn ich aussteige, in Riga sein.

 Weil der Linienbus von dort nach Mersrags auf der anderen Seite des Rigaer Meerbusens dann schon weg ist, habe ich mir in Riga ein Youth-Hostel gebucht, nicht weit weg vom Bus-Bahnhof, so dass ich dachte, es mit dieser Gepäcklast dorthin zu schaffen.

 Dachte ich.

 Zwar war die Plastiktüte inzwischen verschwunden, aber das Buch und die Trinkflasche verschwanden auch noch im Rucksack und er war so schwer, dass ich jemanden bitten musste, mir dabei zu helfen, ihn auf den Rücken zu kriegen. Denn eins wusste ich leidgeprüft: den Rücken immer gerade halten, nie krümmen.

 Handy raus, dictionary angetippt: Gepäckaufbewahrung: luggage storage, ja, gibt es, 30 Meter weiter.

 Dort angekommen, ging ich in die Knie, nicht weil ich nicht mehr konnte, sondern weil ich den Rucksack vom Rücken kriegen musste: den Rücken gerade halten!! Also mit geradem Rücken in die Knie gehen und den Rucksack absetzen.

 Jetzt freute ich mich schon ein klein wenig auf das Gesicht des Schalterbeamten, wenn er meinen Rucksack in eines der Regale bringen musste – aber in seinem langen Leben hier an der Gepäckaufnahme sind ihm wahrscheinlich schon ganz andere Dinge über den Tresen geschoben worden – vielleicht ein Ölfass oder was weiß ich, was zu sowjetischen Zeiten hier begehrliche Gegenstände gewesen sein mögen. Also über sein Gesicht huschte ein Erstaunen, als sich mein Gepäckstück nicht vom Fleck rührte, als er es aufnehmen wollte und dann nach einem kurzen Moment des Nachdenkens, ließ er es einfach zu Boden plumpsen, zog es dann über den Betonfussboden und kippte es in ein ebenerdiges Regalfach: Klappe zu, Affe tot.

 Na gut, dachte ich, mit diesen Behandlungsmethoden wird Ortlieb schon fertig werden.

Nunmehr befreit von dieser Last, machte ich mich auf den Weg zu jenem Youth-Hostel, was laut Lagebeschreibung hinter der Central-Station direkt neben dem Grand-Palast des Mercury-Hotels sein sollte: größer und näher können Gegensätze wohl nur in New York sein: hier Prachtfassade, 10 Meter weiter das abbruchreife Gebäude eines ehemals wohl ansehnlichen Hauses, mit einem Gewirr von Klingeln, Schildern und ehemals wohl mal funktionierenden Gegen-Sprechanlagen.

 Egal, rein, 14 EUR berappt, Bett belegt in einem 6-Bett-Zimmer, wo noch drei weitere junge Frauen ihr Lager aufgeschlagen hatten, mich etwas frisch gemacht, Schlüssel in Empfang genommen und dann los, ich hatte Durst auf ein frisch gezapftes Bier und wollte dabei in meiner von Lothar mir mitgegegebenen Reiselektüre etwas weiter kommen: Jonas Jonasson: „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwan“ – und ich immer noch ein wenig den Verdacht hege, dass da eine kleine, feine Anspielung im Spiel sein könnte – aber egal, die Lektüre hat mich bestens durch die Strapaze dieser 30-stündigen Bustour durch halb Europa gebracht und wird mir noch den Anfang hier in Lettland versüßen.

Es hat eine Weile gedauert, bis ich in der Nähe des Bahnhofes eine entsprechende Kneipe fand und gegen 0 Uhr bin ich dann wieder Richtung Youth-Hostel gegangen.

 Jetzt war es hier empfindlich kalt.

 Gut geschlafen mache ich mich am nächsten Morgen auf, irgendwo ein Frühstück zu ergattern, was mir letztendlich nur im Service-Haus des zentralen Busbahnhofs im 1. Stock gelang – und dort auch nur in einer zumindest für mich seltenen Form: alle die dort frühstückten, hatten ein Mittagessen vor sich stehen, denn was anderes gab es da überhaupt nicht.

Na, dachte ich, eine anständige Grundlage für den heutigen Tag ist auch nicht zu verachten und danach machte ich mich auf, ein wenig in der Stadt herum zu bummeln. Das Wetter war gut, immer wieder große Flächen blauer Himmel, es war frisch bis kalt, man musste in Bewegung bleiben, aber das wollte ich ja auch.

 Gegen 12:00 Uhr trabte ich zurück zum Hostel, auschecken und dann zum Busbahnhof, nächste Station Mersrags, wo MISS SOPHIE auf meine Ankunft wartet.

 

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