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Was für ein Abenteuer - 170 sm in 45 Stunden entlang der polnischen Küste nach Swinemünde

Was für ein Abenteuer - 170 sm in 45 Stunden entlang der polnischen Küste nach Swinemünde

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Published on September 2nd, 2025 @ 13:46:00 , using 1821 words,
Was für ein Abenteuer - 170 sm in 45 Stunden entlang der polnischen Küste nach Swinemünde
Was für ein Abenteuer - 170 sm in 45 Stunden entlang der polnischen Küste nach Swinemünde

 

 

Wladyslawowo nach Swinemüde 27.28. 08.2025

Die Strecke von Wladyslawowow bis Swinemünde (ich nehme immer den ehemaligen deutschen Namen, weil der jetzige polnische sich für mich Deutschen fast nicht aussprechen und noch weniger schreiben lässt) sind ungefähr 170 sm und für diese Strecke hatten wir einen unhintergehbaren Zeitrahmen, weil er durch die drei polnischen militärischen Schießgebiete führt, die in dieser Zeit den ganzen Tag gesperrt und nur Nachts von 20:00 bis 02:00 Uhr durchfahrbar waren.

(Die obige Seekarte enthält unsere Bleistift-Kurslinie entlang der polnischen Küste)

Aber sie waren 40 sm entfernt von unserem Ausgangsort Wladiyslawowo und mit einer mittleren Geschwindigkeit von 4 kn bedeutet das, dass wir um in sie einfahren zu können, schon mal 10 Stunden unter Segel sein mussten und eine Reisegeschwindigkleit von 4 kn nicht unterschreiten durften.

 

Das war der eine absolut einzuhaltender zeitliche Rahmen.

 

Der andere war, dass ich diese Strecke natürlich nicht allein segeln kann, denn die dafür notwendigen 40 bis 50 Stunden kann ich mit meinen 80 Jahren nicht mehr durchhalten.

 

Ich brauchte also eine zweite Hand an Bord und ich habe mir die Finger wund geschrieben, um in meinem seglerischen Umfeld jemanden zu finden, der in dieser Zeit mir beispringen kann.

 

Und das dritte ist, dass in den zwei Tagen, die wir mindestens brauchen, entweder Nord- oder Ostwind vorhanden sein muss, denn die halbe Strecke ist zunächst ein Westkurs, der dann in einen WestSüdWestkurs übergeht.

 

Und Windvorhersagen traue ich erst drei Tage vor dem Törn wirkliche Sicherheit zu.

 

Aber wie soll das gehen?

 

Wer unter meinen Seglerfreunden kann innerhalb dieses Zeitrahmens seinen Seesack packen, einen Tag lang mit Bus und Bahn nach Wladyslawowo kommen, an Bord springen und es wird sofort abgelegt?

 

Und zwei von ihnen habe ich schon 'verbraucht'.

 

Ich habe mich schon nach Überwinterungsmöglichkeiten in Wladyslawowo erkundigt, mich nach polnischen bezahlten Mitseglern erkundigt, einen professionellen Schiffsüberführer kontaktiert - aber auch die brauchen mehr Zeit um herkommen zu können - die kann ich ihnen aber nicht geben, weil ich leider nicht das Wetter, dh. den Wind mache.

 

Ich hoffe es wird langsam klar, in welcher Zwickmühle ich mich befand - und zwar wochen- ja monatelang.

 

Und zudem kommt noch, das der Westwind dieses Jahr derart das Wetter dominiert, dass es ausser Westwind eigentlich gar nichts anderes gibt.

 

So. 

 

Und dann kamen die Windvoraussagen für den 26. 27. 28. August und da tat sich ein Wetterfenster auf, in dem Ostwinde (Südostwinde) vorausgesagt wurden, nicht viel Wind aber immerhin in der richtigen Richtung und des Nachts auch mit Spitzen von 5 - 6 Bf - und die Voraussagen blieben auf allen von mir benutzten Wind-Apps konstant; Yr, Windfinder, windy, PredictWind.

 

Jetzt musste ich jemanden finden.

 

Und Uli habe ich dann gefunden und der hatte gerade in diesem Zeitfenster, also vom 25.08. bis zum 31.08. Zeit und hat sich sofort in den Zug geschmissen und war am 25. 08. abends in Wladyslawowo, wo ich ihn am Bahnhof abgeholt habe.

Aber da war er schon seit morgens um 05:00 Uhr auf dem Weg. Und wir mussten am nächsten Tag um 05:00 auch schon los.

 

Also Wecken um 05;00 Uhr, Leinen los und ab.

 

Um 05:30 waren wir unter Motor mit 5 kn unterwegs. Ich habe Brote unter Deck geschmiert, d.h. ich habe sie mit Wurst und Käse belegt und rausgereicht, Tee in die Thermoskanne und wir haben sie draussen in der Plicht gemummelt.

Das Wetter war ok, nicht kalt, der Himmel bedeckt, das Baro stand auf Veränderlich, der Wind war noch am Schlafen, aber wir waren nach Plan unterwegs.

 

Um 07:40 war dann soviel Wind da, dass wir uns trauten damit zu segeln, also Fock und Groß raus. Wir hatten nach Plan SüdOstwind um 3, manchmal auch 4, so dass wir zwischenzeitlich auch 6 kn liefen und unser Kurs verlief nach WestNordWest.

 

Um 11:30 war der Wind weg, wir warem am Leuchtturm Rozewie, der an der Ecke stand hatten jetzt einen Westkurs zu laufen und wir baten Mr. Vetus wieder an die Arbeit.

 

Um 12:30 hatten wir Leba querab, um 13:30 konnten wir wieder segeln, kurz danach wieder unter Motor.

 

So ging das eine ganze Weile, bis sich deutlich abzeichnete, dass der Wind, der vorhanden war, uns nicht auf die erforderlichen 4 kn bringen würde - und wir mussten um spätestens 22:00 Uhr in das Sperrgebiet einlaufen, denn wir hatten es zu queren nur 3 Stunden Zeit.

 

Die Stunden an der Pinne zogen sich.

Immer wieder haben wir uns dabei abgewechselt.

 

Ich hatte vorgekocht: einen Eintopf mit Wirsingkohl, Zwiebeln, Knoblauch, Lauch, Speck und Bohnen, den wir uns am späten Nachmittag als Vorbereitung auf den Nachtdienst halb verspeist haben.

 

Dann kam irgendwann die Nacht.

 

Es wurde stockduster. 

Die polnische Küste, die sich von uns aus in ca. 5 sm Entfernung als graues Band darstellte, bekam in der beginnende Nacht sowas wie ein Eigenleben, weil erst jetzt deutlich wurde, dass die gesamte Küste belebt und bewohnt war, weil überall Lichter zu sehen waren, rote Warnlichter von Windkraftanlagen und anderen Einrichtungen, Seezeichen für - ja für was eigentlich, denn die paar Häfen waren deutlich mit Richtfeuern gekennzeichnet.

Ansonsten Industrieanlagen, die wahrscheinlich mit Neonlampen beleuchtet waren - kleine Dörfer (?) mit Strassenbeleuchtung, und und und, was auf den Seekarten natürlich nicht zu identifizieren ist - und google-earth hatten wir uns vorher nicht angeschaut.

 

Kein einziges Schiff war war an der polnischen Küste zu sehen.

Einmal haben wir einen uns querenden großen Schlepper gesehen, ansonsten kein einziges Fischerboot, keinen Frachter, keinen Segler, kein Sportboot, kein Angelboot, nichts.

 

Als wenn Ausgangssperre für Boote herrschte. Das fanden wir sehr merkwürdig.

 

Immer wieder schauten wir auf die Uhr und verglichen die Zeit mit unserer Planung - aber wir waren gut in der Zeit Mr. Vetus tat seine Arbeit ohne Murren.

 

Um 22:00 Uhr erreichten wir das militärische Sperrgebiet. Das UKW-Radio wurde angeschaltet, damit man uns im Notfall erreichen kann, aber es blieb stumm. Wir waren etwa 2 sm von der Küste entfernt, die mit den roten Warnlichtern der Windkraftanlagen wie ein auf der Seite liegender Weihnachtsbaum aussah und gesprenkelt war mit den Neonleuchten und sonstigen grellen Beleuchtungen von Industrieanlagen - ein Küstenstreifen, der am Tag aussah wie von Menschen verlassenes Gebiet.

 

Unsere innere Spannung blieb bis 01:30, als wir nach den GPS-Daten das Sperrgebiet verliessen - und wir uns und Mr Vetus eine Pause gönnten, in dem wir nur unter Segeln mit 3,5 kn dahintrieben, aber der Stress in unseren Körpern brauchte jetzt mal diese Pause.

 

Der Himmel war leicht bedeckt, aber es gab immer wieder größere wolkenfreie Bereiche , in den die Sterne zu sehen waren.

 

Um 03:00 holten wir Mr Vetus wieder an die Arbeit und liessen ihn bis 05:30 arbeiten.

 

Als es hell wurde, machte Uli ein wunderbares Frühstück mit Brot, Wurst, Käse und Rührei und bereitete dem Tag eine prima Grundlage.

 

Mit Groß und Fock segelten wir bis 09:00, ohne dass die angedrohten 5 - 6 Bf irgendwo in Erscheinung traten, dann war wieder der Wind weg und blieb es den ganzen Tag, der zumindest in den Wind-Apps als schwachwindig eingestuft wurde und es auch war.

Mr. Vetus musste den ganzen Tag schufften - und wir sind ja eigentlich ein Segelboot.

 

Aber der angekündigte Westwind am Freitag drohte in unseren Köpfen - und gegen Wind, auch wenn er schwach weht, anzumotoren und dann auch noch für eine lange Strecke ist so nervig, dass wir das um alles in der Welt vermeiden wollten.

 

Derjenige der nicht am Steuer saß oder stand, legte sich auf die Lee-backskiste und schlummerte so vor sich hin und tankte Energie für seine nächste Phase am Steuer und so gingen die Stunden des Tages nacheinander vor sich hin.

 

Um 20:00 Uhr, schon dicht an dem Zielgebiet der Swinemünder Mündung fing es an zu regnen und die Regenflagen verhinderten jede Weitsicht und das fanden wir überhaupt nicht gut, weil wir davon ausgingen, das das Gebiet um Swinemünde verkehrsreich sein würde.

 

War es nicht, aber die Anspannung blieb und es ist äußerst anstrengend, in eine milchige Suppe zu starren, die einem zudem immer wieder mit Regen übverschüttet.

 

Und die zweite Nacht begann - diesmal wie gesagt unter nicht sehr freundlichen sondern nassen Bedingungen.

 

Die Anzahl der Lichter vor uns nahm beständig zu. Wie näherten uns sehr deutlich dem verkehrsreichen Swinemünder Bereich.

 

Um 21:00 Uhr waren wir vor dem Einlaufen in den Swinemünder Kurs auf den Hafen noch 4 sm entfernt und die blinkenden, blitzenden, funkelnden Lichter nahmen atemberaubend zu: Überall blinkte, blitzte, und leuchtete es, riesige Lichtflächen tauchten am Horizont auf und verschwanden wieder, riesige Gebäudehallen tauchten am Horizonbt auf und verschwanden wieder, weil es wohl Wolkengebilde waren, die uns zum Narren hielten und wir waren völlig hilflos in der Einschätzung, wie weit diese Lichterscheinungen von unserem Schiff entfernt waren: 200 Meter?, 2 sm?, 5 sm?, 10 sm?

 

Manchmal hatte ich das Gefühl, ich könnte das Seezeichen neben dem Schiff anfassen - dann wieder war es weit weit weg.

Wir waren wirklich hilflos diesen Lichterscheinungen ausgesetzt und brauchten alle Kraft, um nicht innerlich aufzugeben, uns treiben zu lassen und auf den Morgen und die Helligkeit zu warten.

Alle diese Lichtererscheinungen bewegten sich ja auch. Wir bewegtenh uns rechtwinklig auf die Seestraße zu und entsprechend unserer Bewegung verschoben sich die LKichterscheinungen, die natürlich nicht in einer Linie zu uns standen, sondern in unterschiedlichen Entfernungen.

Plötzlich bewegte sich so ein liegender Weihnachtsbaum sehr deutlich vor uns nach steuerbord und wir vermuten, dass es sich wohl um eine Fähre handeln könne, die nach Schweden geht.  Aber bei dem Weihnachtsbaum war kein Bug noch ein Heck zu erkennen - nur viele viele Lichter.

Wir waren mit 5 kn unterwegs und ich hate machnmal den Eindruck, wir rasen mitten in ein quirrliges Verkehrsgeschehen rein ohne zu begreifen, wo wir waren und was um uns rum geschah, dann wieder sah ich neben mir Gras und Ufer, obwohl ich wusste, dass hier kein Gras und kein Ufer sein konnte.

Dann wieder hatte ich das Gefühl, die Tonne auf die wir zuhielten, ist 10 Meter vor mir, und dann waren es immer noch eine halbe Seemeile entfernt.

 

Als wir in die Einfahrt nach Swinemünde einfuhren, war das Lichtermeer so groß, das ich das Gefühl hatte auf dem Bremer Freimarkt zu sein - es war unmöglich, sich darin zu orientieren.

 

Zum Glück war auf dem Kartenplotter eine Kurslinie eingezeichnet, an die hielten wir uns und versuchten, die für diese Kurslinie zuständigen Lichtzeichen zu identifizieren, also die Tonnen mir ihrer jeweiligen Kennung herauszufinden und alles andere zu ignorieren, was uns schwer fiel.

 

Irgendwann gelang uns das dann auch und unser Puls wurde etwas niedriger.

 

Aber es dauerte 3 Stunden, bis wir wir in den entscheidenden Bereich des Hafens kamen, dort, wo sich unentwegt Hafenbecken nach links und nach rechts abzweigten, die aber natürlich nicht als Hafenbecken zu erkennen waren, sondern genau so wie der Fluss, die Peene, aussahen.

 

Eine weitere Stunde irrten wir hier weiter auf der Peene, bis wir auf den entscheidenden Hinweis stiessen, wo ein Sportbootzeichen auf einen Sportboothafen hinwies.

 

Ganz kurz liefen wir auf Sandgrund, weil ich eine Tonne geschnitten hatte, weil ich nicht damit rechnete, mitten in diesem riesigen Hafenbereich so eine flache Stelle vorzufinden, wir waren aber schnell wieder frei und eine halbe Stunde später um 02:00 neben einem schönen  alten Holzsegler fest.

 

Ich bestand darauf, dass jetzt ein polnischer Wodka auf den Tisch kam und noch ein paar Flaschen polnisches Bier und dann sind wir um 03:00 in die Kojen gefallen.

 

So gut habe ich glaube ich in meinem Leben noch nicht geschlafen.

 

 

 

Was für ein Abenteuer - 170 sm in 45 Stunden entlang der polnischen Küste nach Swinemünde
Was für ein Abenteuer - 170 sm in 45 Stunden entlang der polnischen Küste nach Swinemünde

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