von Jörg Streese

Helgoland: ein unfreiwilliger 18-Stunden-Törn

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Published on Mai 21st, 2010 @ 14:38:14 , using 1178 words,

06:00 Uhr morgens komme ich langsam aus den Träumen hoch, weil irgend was tutet.

Je mehr ich wach werde, desto mehr wird ein Gedanke im Kopf klar: Nebelhörner.

Raus.

Wahrhaftig. Bild 1

Enttäuscht über diese Provokation des Wettergottes mix ich mir einen Grog, denn es ist kalt, und verzieh mich damit und einem Buch wieder in die Koje.

Eigentlich hätte ich diesen Hinweis des Wettergottes richtig deuten sollen:  auf diese Art und Weise nicht nach Helgoland zu gehen - aber eine dreiviertelstunde später habe ich ihn verworfen, weil die Sonne anfing zu scheinen.

Währe ich ihm doch nachgekommen, mir wäre eine 18-stündige Horrortour erspart geblieben.

Jetzt musste alles im Eiltempo geschehen, denn ich musste noch bei Stillwasser vom Steg, denn ich saß meinem Vorschiff sehr nahe auf dem Heck und wäre bei ablaufendem Wasser dort nicht weggekommen. Also kein Frühstück, lediglich das Wasser für eine Kanne Tee konnte noch heiß gemacht werden, während die aufwendige Ankleideprozedur vonstatten ging (diverse Funktionsunterwäsche und darüber dann noch der neoprengefütterte Segeloverall), dann musste ich die Leinen loswerfen.

Also gegen an motoren. Bild 2

Dazu muss  man wissen, dass ich motoren hasse und besonders dann, wenn es gegen Wind und Wellen geht, nur um dahin zu kommen wohin ich will und es segelnd nicht geht.

Ich hatte mir überlegt, das es vernüftig ist, durch den Wurster Arm auf den Leuchtturm Alte Weser zu gehen, weil ich meinte, dort besser gegen die seit Tagen aufgebauten NW-Wellen geschützt zu sein.

Dem war nicht so. Hier herrschte eine kurze, ruppige See, die mein Schiff regelrechte Boxsprünge vollziehen lies. Grimmig sah ich diesem Schauspiel zu und schwor mir, nie wieder den Wettergott zu missachten und wenn ich mir in Bremerhaven ein Zimmer nehmen muss.

Alles was nicht Niet und Nagelfest auf MISS SOPHIE verstaut war, fand unweigerlich seinen Weg nach unten auf die Bodenbretter, wo sich nach kurzer Zeit ein Sammelsurium aus Seekarten, Flaschen, Brot, Bücher und dergleichen ansammelte - ein Anblick, der das eh schon angegriffene Selbstbewusstsein des Skippers weiter nach unten zog. Und ich finde, dass ich auf MISS SOPHIE besonders auf die seefeste Verzurrung aller Gegenstände achte - aber es gibt da anscheinend noch Nachbesserungsbedarf.

Auch im Cockpit sah es bald ähnlich aus: ein extra Behältnis für mein für solche Törns vorhandenes Studentenfutter knallte bei einem dieser Sprünge auf die Bodenbretter und sofort sprang der Deckel auf und Erdnüsse, Haselnüsse, Rosinen, Sonnenblumenkerne und was da sonst noch so alles drin ist, kullerte nun lustig hin und her und erinnerte mich beständig daran, in Zukunft solche Behältnisse mir auch auf Schwerwettertauglichkeit anzuschauen. Meine Wasserflasche war zum Glück aus Allu - manch eine Beule wird mich aber an diesen Törn erinnern.

Bald hatte ich vom kramfhaften Festhalten an den Relingszügen Blasen an beiden Fingern, die durch das Festhalten der Pinne weiteren Belastungen ausgesetzt wurden und dann um Mitternacht aufplatzen und nur noch schmerzten (Bild 4) Aber da sind wir ja noch nicht.

Punkt 13:00 Uhr beim Umschlagen der Tide war ich am Leuchtturm Alte Weser und konnte nun in den Tonnenstrich der  Alten Weser einlaufen, als mir der Motor ausging.

Also Segel hoch und die demütigende Erfahrung begann, dass ich mit meinem 5-Tonnen-Schiff nicht gegen den Wind, Strömung und Wellen aufkreuzen kann - zumal hier ebenfalls eine kurze ruppige See zwischen 1 und  2 Meter stand.

5 Stunden habe ich kreuzend zwischen dem Tonnenpaar A10 und A8 verbracht - das, was ich auf dem einen Schlag gut machte, verlor ich auf dem anderen wieder. Dort einfach Nord zu laufen, traute ich mich nicht, denn die dort vorhandenen Nordseegründe sind teilweise nur 4 Meter tief und ich dachte, dass sich dort die Seen besonders steil gebärden würden - was  andere Segler dann in Helgoland aber verneinten.

Zu dieser Situation muss man sagen, dass mein Schiff ein Fahrtenschiff ist und nicht auf Höchstleistung im Segeln konstruiert ist: das heißt, ein Schiff was mit dieser Situation gut zurecht kommen will, muss vorne sehr schmal und spitz gebaut sein, um die Wellen zu durchschneiden.

Mein Schiff ist in diesem Bereich sehr füllig, weil es seine Lebensqualität unter Deck daraus bezieht, hier schon Lebensraum zu schaffen - das heißt aber auch, dass es die Seen nicht mehr durchscneidet, sondern von ihnen gestoppt wird - ich brauche also viel mehr Kraft aus den Segeln, um durch diese Seen nicht gestoppt zu weren, d.h. ich kann nicht so hoch an den Wind gehen, wie ich es brauchte um hier in meine Richtung weiter zu kommen. Ich muss ja gegen jede Welle die 5 Tonnen meines Schiffes schieben - und das nur mit Hilfe des Windes.

Ich rechnete: die Tiede schlägt num 19:00 um, dann würde ich diese Strecke in relativ kurzer Zeit hinter mich gebracht haben, also sagen wir mal um 20:30 kann ich auf Nordkurs Helgoland gehen, dann warten da noch 20 sm auf mich, bei der Welle und meiner Geschwindigkeit von ca. 3 kn noch 6 - 7 Stunden bis Helgoland, also Ankunft so zwischen 2 und 3 Uhr nachts.

Bis jetzt noch keinen Bissen gegessen, die dafür vorgesehenen Körner, Nüsse und Rosinen tummelten sich immer noch auf dem Plichtboden, noch keine Minute die Pinne aus der Hand gegeben, noch keine Pause gehabt und dann noch der Schreck mit dem versagenden neuen Motor.

Das Aufkreuzen wurde dann nochmal anstrengend, weil die Seen natürlich blieben und zwei oder drei mich auch seitlich erwischten und mich mit einem Schwall grünem Wasser eindeckten.

20:30 bei der A6 am Ausgang der Alten Weser dann Nord. Hoch am Wind, zur besseren Ausbalancierung der Segel ein Reff ins Groß und ich konnte die Pinne belegen und MISS SOPHIE segelte mich auf wunderbarste durch die jetzt etwas weicheren langen Nordseewellen.

Das hat mich für alles entschädigt.

Diese Erfahrung, dass mein Schiff die Intelligenz besitzt, besser als ich es an der Pinne könnte, mich durch das Meer zu steuern - das ist das größte und schönste, was ich mir vorstellen kann.

Aber auch jetzt gibt es keine wirkliche Entspannung, denn MISS SOPHIE legt sich so auf die Seite, das teilweise die Kajütfenster ins Wasser geraten - ein Bewegen an Deck und erst recht unter Deck wird zur Schwerstarbeit.

Jetzt wurde es langsam dunkel. Ich begann die Hauptschiffahrtswege zu kreuzen, hier musste also besonders gut Ausguck gegangen werden. 1 - 2 Containerschiffe konnte ich ausmachen, aber keine Gefahr, dann kam von hinten so ein schwimmendes Casino hellerleuchtet auf, sonst nichts - kein einziger Segler unterwegs.

Schon ein merkwürdiges Gefühl, in diesem Moment völlig alleine in dieser doch etwas fremden Welt unterwegs zu sein, die langsam in eine schwarze Nacht übergeht - nur ab und zu gurgelt grünes Wasser in meine Plicht und zeigt mir, das die Nordsee immer noch Nordsee ist.

Der Wind wurde etwas weniger und meine Geschwindigkeit reduzierte sich auf 2-3 kn, Tonne Helgoland-Ost hatte ich um 2:30 querab und um 3:00 Uhr versuchte ich den Motor anzuwerfen , was auch gelang, aber nach 5 Minuten war er wieder aus - das hieß unter segeln in einen rattenschwarzen dunklen Hafen, dort irgendwie einen Ankerplatz finden, Anker raus, Segel runter und dann sehen wir mal weiter.

Um 3:30 war ich unter Anker, der anfing zu slippen, aber ich konnte hier jetzt meinen ersten Bissen zu mir nehmen und einen Tee trinken: nach 18 Stunden , davon 12 ohne Unterbrechung an der Pinne.

Aber Angekommen Bild 3 Nebel: Die Wetteränderung

 

 

 

 

 

 

 

 

Makrelenhimmel - Wetteränderung

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Published on Mai 20th, 2010 @ 19:54:08 , using 56 words,
Makrelenhimmel - Wetteränderung

Heute begann der Tag mit diesem Makrelenhimmel und veränderte sich zum Mittag hin zu einem blauen Himmel, der mit kleinen zarten und in regelmässigen Strukturen sich bewegenden Cirruswolken gesprenkelt war - Wetteränderung. Und es wurde zum ersten Mal warm - 19 Grad in der Kajüte.

Wetterbericht: zum ersten Mal keine Starkwind- oder Sturmwarnung für die Deutsche Bucht, sondern NW 3-4

MISS SOPHIE

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Published on Mai 19th, 2010 @ 19:20:06 , using 591 words,
MISS SOPHIE
MISS SOPHIE
MISS SOPHIE
MISS SOPHIE
MISS SOPHIE
MISS SOPHIE
MISS SOPHIE
MISS SOPHIE
MISS SOPHIE
MISS SOPHIE
MISS SOPHIE
MISS SOPHIE
MISS SOPHIE
MISS SOPHIE

Das erste was ich von MISS SOPHIE sah, war ihr Hintern.

Und ich war überwältigt.

Ich war hin und weg.

So ein elegantes Auslaufen des Hecks bei einem durchaus eher plumpen Knickspantermittelschiff hatte ich noch nie gesehen. Ich wusste sofort, dieses Schiff kann segeln. Und ich wollte es haben. Und ich wurde nicht enttäuscht.

Also:
MISS SOPHIE ist eine WIBO 830, 1972 in Woubrugge in Holland von der Werft Van Wijk als Knickspanter aus Stahl gebaut nach einem Riss von van de Stadt und wurde von meinem Vorbesitzer nach seinem Vorschlag von dem Yacht-Designer-Duo Rudel+Vrolijk (ja, genau die, die die Megayachten für den Admirals-Cup entwerfen) das Heck zu jenem sagenhaften Hintern geformt, den ich eingangs erwähnte. Sie verschafft dem Schiff einen derat eleganten Wasserablauf achtern, dass im Wasser zu finden sind - sagenhaft.

Sie ist etzt 8.80 m lang und mit Bugsprit über alles 9.60 m, 2.60 m breit, hat einen Tiefgang mit einem neuen Kiel von 1.30, im Ballastkiel befindet sich 1,5 Tonnen Blei und dazu kommen noch 200 kg Diesel und Wasser.

Die Normalbeseglung beträgt ca. 40 qm (17/20), mit der SWF 35 qm, mit Genua 45 qm.

3. Bild

Blick vom Niedergang in die Kajüte: rechts die Navigationsecke mit Kartentisch und dem darunter befindlichen Kartenfach, wo sich für diesen Törn über 200 Seekarten befinden, darüber der alte aber wunderschöne DEBEG-Einseitenband-Empfänger, der aber auch MW, LW und KW empfängt, darüber das Fach mit den Seehandbüchern und darüber das DEBEG-UKW-Seefunkgerät.

Dahinter die Kombüse.

Bild 4

Die Kombüse mit dem zwei-flammigen Gasherd rechts und der Spüle links, darunter die Küchenshaps - Lebensmittel werden unter den Kojen und den Sitzbänken der Messe gelagert.

Bild 5

Vorpiek (Kajüte ganz vorne), mit den beiden Kojen steuerbord und backbord und ganz vorne der Bordbibliothek (ganz wichtig, wie man jetzt in Bremerhaven sehen kann), links der Kleiderschrank mit Borden und rechts die Tür zum WC.

Bild 6

Damit die leiblichen Genüsse, die beim Segeln ganz ganz wichtig sind, auch anständig entsorgt werden können, dieser Ort, eng aber funktional.

Bild 7

Die Messe vom Bug her gesehen: rechts die u-förmige Sitzbank um einen kleinen Tisch herum, der durch einen klappbaren grossen ersetzt werden kann, der Niedergang von der Plicht in die Kajüte und daneben die Segeltuchtaschen für Nebelhorn, Taschenlampe, Notfall-Werkzeug und Schäkeltasche. Daneben und darüber die Rückseiten der Navigationsinstrumente: Motor-Instrumente, Fluxgate-Kompass, Kartenplotter und daneben das Lot und die Solarregler für die drei Solar-Panele.

Neben dem Niedergang links (hinter dem Kartentisch) befindet sich die Hundekoje, in der der Skipper schläft, wenn er Gäste an Bord hat, die ein Teilen des Vorpieklagers nicht gestatten; 60 cm breit und 40 cm hoch und 2 m lang - es ist ein echtes Akrobatenstück,  da rein zu kommen, denn zwischen Kartentisch und Hundekojeneingang ist nur 40 cm breiter freier Raum. Aber 15 Jahre Übung zahlen sich jetzt aus.

Darüber die Segeltuch-Taschen für das Fernplas, den Seenotsignalgeber, den Seenotfunk-Marshal und Kleinigkeiten, wie Sonnenmilch etc.

Daneben unter der Decke die Segeltuch-Taschen für den Camcorder, Brillen, Hand-GPS und das Handy.

Alles so, das ich es vom Cockpit aus erreichen kann, ohne die Pinne loslassen zu müssen - eben alles auf Einhandsegelei eingerichtet.

Daneben über dem Kartentisch der DEBEG-Radioempänger, das Bücherschapp für die aktuellen Seehandbücher, das Logbuch und darüber das neue UKW-AIS-Funkgerät.

Unter dem Kartentisch das Bücherschapp mit weiteren Seehandbüchern und darunter das Schapp Seeenot-Signalraketen, Sicherheitsgurte etc.

Unter dem Sitz vor dem Kartentisch eine sehr umfangreiche Werkzeugkiste und dahinter unter der Hundekoje das Schlauchboot (nicht zu sehen weil unter de Polstern).

Draußen unter dem Motordeckel und den Plichtgrätings der vorbildlich saubere Motorraum und die saubere Botorbilge mit dem neuen VETUS-Diesel.

Unter den Steuerbordsitzbänken die Backkiste mit der Gasflasche

und die Backskiste mit den Leinen und Trossen.

So, jetzt kennt ihr alle MISS SOPHIE.






 

Zeit auf dem Wasser ist eine andere

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Published on Mai 18th, 2010 @ 21:12:05 , using 122 words,
Zeit auf dem Wasser ist eine andere

Die Zeit hier auf Miss Sopie, die von einem beständigen sanften Schaukeln begleitet ist, vergeht anders als auf Land. Man fühlt sich näher an den wirklichen Dingen des Lebens, man ist nicht abgelenkt, sondern kann ganz anders seine Gedanken schweifen lassen und bleibt dabei immer ganz dicht an den wichtigen Dingen.

"Stunden um Stunden, wo nichts getan wird, Stunden, die an Land jeden Nerv gereizt hätten, doch hier, auf der sanften Bewegung der See, so leicht vorüber ziehen wie der Schlaf;  denn Zeit auf dem Wasser ist ganz verschieden von Zeit auf dem Lande. Sie ist kontinuierlicher;  sie hat mehr Anteil am Atmen der Welt;  sie ist weniger mechanisch und unterteilt." (Hilaire Belloc, Die Kreuzfahrt der NONA, 1925)

Wetterbericht wie gehabt: NW 5-6, Böen 7

der Wettergott will es nicht anders...

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Published on Mai 17th, 2010 @ 21:27:34 , using 349 words,
der Wettergott will es nicht anders...

.....er hält mich fest hier an der Geeste mit der völlig falschen Windrichtung (NW) und zu viel Windstärken 5-6,  Böen 7.  Die Tiede, die die Wassermassen der Weser nach nordwest durch die unter der Wasseroberfläche existierende Aussenweser, die bis 60 Kilometer vor den Deichen ihr Flussbett in den Sand getrieben hat, schiebt, schiebt sie auch gegen den Wind und lässt dort sofort hässlichen Seegang entstehen - und gegen diese Windrichtung anzukreuzen bei dem Seegang bedeutet, dass ich nicht innerhalb der Zeit, die das Wasser abläuft, diese Grenze erreichen kann, wo die Weser aufhört zu existieren und die Tiede zu vernachlässigen ist, weil sie natürlich nur dort sich deutlich bemerkbar macht - mit bis zu 3-4  Knoten Geschwindigkeit, bei einer Maximalgechwindigkeit meines Schiffes von vielleicht 6-7 Knoten - , wo sie sich in einem engen Flussbett - auch wenn es nur unterseeisch ist - entfalten kann.

Also bleibt es bei der Geeste.

Nachtrag zu gestern.

Die genetischen Zeitfenster, in denen das Lernen von Lebewesen anscheinend stattzufinden hat und die auch für uns Menschen gelten, hat man u.a. an kleinen Katzen festgestellt, denen man ein Auge zugenäht hat - und wenn dies in der virulenten Zeit geschah, in der die für die Verarbeitung der aus den  Sehnerven ankommenden Informationen notwendigen Verschaltungen im Gehirn zu bewerkstelligen waren und diese Stimulanz in dem genetischen  Zeitfenster von ein paar Tagen nicht geschah, konnte dieser Fehler nicht mehr repariert werden, d.h. diese Katzen konnten ihr Leben lang nicht mit diesem Auge sehen. Machte man dies mit älteren Katzen, konnte die Sehfähigkeit mühelos nachträglich erworben werden.

Konrad Lorenz hat bei seinen geliebten Graugänsen die "Nachfolge-Prägung" entdeckt: innerhalb der ersten Tage scheint der ausgeschlüpften Graugans folgender Impuls mitgegeben zu sein: Wenn immer sich in deiner Umgebung etwas bewegt, folge ihm und sehe es als deine Mutter an.  So folgten die jung ausgeschlüpften Graugänse Konrad Lorenz bis in sein Arbeitszimmer, weil er das Wesen war, was sich in dieser virulenten Zeit in der unmittelbaren Umgebung dieser Graugänse bewegt hatte und er damit zu ihrer Mutter wurde.

Wie diese Zeitfenster beim Menschen aussehen muss anscheinend noch detailiert erforscht werden.

Wetterbericht für morgen wie heute: NW 5-6

 

 

 


Hafenzeit ist Lesezeit: Wolfskinder

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Published on Mai 16th, 2010 @ 16:49:14 , using 664 words,
Hafenzeit ist Lesezeit: Wolfskinder

Endlich.

Das schöne Wetter ist da - mit sehr viel Wind und viel Kälte - aber die Sonne ist da und wird begleitet von wunderschönen kleinen, schnell vorbeischiebenden Schönwetterwolken.

 

Was sagen uns die Wolfskinder?

Erst einmal garnichts, weil sie nicht sprechen können.

Und auch dann nicht, wenn sie nach jahrelangen versuchen ausser ein paar Zweiwortsätzen ("trinken Milch") nie in ihrem Leben mehr das Sprechen lernen werden. Und auch andere soziale Fähigkeiten sich nur ausgesprochen reduziert ausbilden, etwa sich unter anderen Menschen in den uns bekannten Formen zu bewegen, nicht andere Leute anstarren oder ihnen das Essen wegnehmen etc.

Aber schon vor unserer Zeitrechnung begann das Interesse an ihnen: der ägyptische König Psammetich ließ ein paar neugeborene Kinder in die Wildnis bringen und unter Ziegen heranwachsen, weil man sich von ihrer Erforschung und Beobachtung versprach, die eigentliche Natur des Menschen zu ergründen - was er an sich hat und mitbringt ohne alle Erziehung und welches seine ursprüngliche Sprache sei. Das "Bek! Bek!" dieser Kinder, das sie von sich gaben, als man sie nach ein paar Jahren zurück holte, deutete der König als Phrygisch und also war die  Natursprache der Menschen Phrygisch.

Wolfskinder, Wilde Kinder sind Kinder, die ohne die soziale Umgebung, ohne zu Zuwendung anderer Menschen und ohne soziale und sprachliche Ansprache aufwachsen - und seit den ersten Funden solcher Kinder, die die Phantasie der Menschen seit jeher beflügelten, entbrannte ein Streit darüber, ob diese Kinder schwachsinnig seien und deshalb von den Eltern ausgesetzt wurden oder ob ihre geistige Unterentwickeltheit das Ergebnis ihrer Deprivation ist - eine Unterentwickeltheit, die nicht mehr aufzuheben ist.

Zusammenfassend referiert Dieter E. Zimmer in seinem überaus klugen und spannenden Buch "Experimente des Lebens", dass Kinder, die sich selbst überlassen wurden, weder zu einem Tier noch zu einem Menschen werden, sondern zu Kretins und dieser Zustand nicht korrigierbar ist.

Die Schlussfolgerung daraus ist für ihn folgender: "Der Mensch ist darauf angewiesen, in einer, irgendeiner menschlichen Gesellschaft aufzuwachsen. Sein menschliches Potential kann er nur im  Umgang mit anderen Menschen verwirklichen....Bleibt ihm dieser Umstand verwehrt, so wird er weder Mensch noch Tier, sondern zu einem körperlichen, sozialen, emotionalen und geistigen Krüppel."

Also ist der Mensch ein Wesen, das alles was es ist, lernen muss, nichts von Natur aus mitbringt?

Jein.

Die neuere Evolutionsbiologie sieht hier einen anderen Zusammenhang: "Der Mensch lernt das meiste von dem , was ihn ausmacht, aber er lernt nicht Beliebiges, er lernt nicht alles gleich gut, gleich rasch, gleich leicht, sondern er lernt vornehmlich das , was zu lernen er ausgerüstet ist, und er lernt es in den dafür vorgesehenen Zeiten in seiner Entwicklung."

"Die Rolle der Umwelt ist es, einen genetisch vorgegebenen Plan zu realisieren und zu stabilisieren. Der Plan ist vollständig da; aber zu ihm gehört, dass zu einer bestimmten Zeit ein gewisser Input erfolgt. Bleibt dieser aus, wird die vom genetischen Plan zum Lernen vorbestimmte Zeit verpasst, lässt sich das Versäumte später nur noch schwer oder garnicht mehr nachholen" - wie es bei den Wilden Kindern mit der Sprachentwicklung der Fall war. Wenn diese Sprachstimulanz nicht in einem engen Zeitfenster erfolgt, verknüpfen sich nicht die für die Sprachentwicklung notwendigen Verschaltungen im Gehirn und das, was bei jedem normal aufwachsenden Kind passiert, dass nach einer bestimmten Zeit die Sprachentwicklung explosionsartig anwächst, geschieht bei den Wilden Kindern überhaupt nicht, weil es an dieses kurze Zeitfenster gebunden ist und dies nicht nachzuholen ist. Und danach lernen sie nur noch mühselig Zweiwortsätze, haben Mühe einfachste Anweisungen zu verstehen und machen damit keine weitere geistige Entwicklung durch, die an Sprache gebunden ist.

Die nordischen Länder haben inzwischen begriffen, d.h. die Politik hat begriffen, was das bevölkerungspolitisch heisst:

Die besten Lehrer, Therapeuten und Diagnostiker müssen in die frühesten Einrichtungen für Kinder, um das Potential dieser Kinder optimal zu entwickeln, weil die hier gesetzten Bedingungen unausbleibliche und nur schwer zu korrigierende Folgen haben.

Unser Bildungssystem ist umgekehrt: das Beste ganz nach hinten, am besten in die Gymnasien stecken - so sehen auch die Bildungsausgaben aus.

Und deshalb werden wir in ein paar Jahrzehnten die Rechnung bekommen: Sitzen geblieben.

Hafentage sind Lesetage.



Bremerhaven an der Geeste, 2. Teil

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Published on Mai 15th, 2010 @ 17:34:44 , using 111 words,
Bremerhaven an der Geeste, 2. Teil
Bremerhaven an der Geeste, 2. Teil
Gestern habe ich eine Ein-Mann-Rettungsinsel, die mal in einem amerikanischen Düsenjäger war und die ich bei ebay ersteigert hatte ( als Dekoration deklariert) von der Servicewerkstatt abgeholt. Die ganze Belegschaft stand Kopf. Herstellungsjahr 1968 - also 40 Jahre alt. Der Mitarbeiter, der für sie zuständig war, war 1968 geboren worden - für das Firmenarchiv wurde ein Foto gemacht. Die Druckflasche hat in den 40 Jahren 2 Gramm verloren - der Mitarbeiter meinte, in dieser Insel sei ich sicherer als in einer neuen. SUPER. Foto bekomme ich von ihm an WE, wird also in den nächsten Tagen hier zu sehen sein.

Tja, und Caro selbstgestrickte Socken sind jetzt nicht nur abends angesagt, sondern sorgen auch schon am Tag für wohlig warme Füße.

Bremerhaven an der Geeste

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Published on Mai 14th, 2010 @ 16:47:14 , using 211 words,
Bremerhaven an der Geeste

"Was,  du Hund - willst du das Wetter auf dich zugeschnitten haben wie einen Jackettanzug? Hat sich das ganze Universum einfach nach deiner Bequemlichkeit zu richten? ... Bist du nicht zufrieden mit dem Segeln, solange nicht gerade der Wind spielt, der genau für deine elende Barke paßt, weder zu stark noch zu leicht?...Willst du nie in den Willen deines Schöpfers Vertrauen setzen und die Dinge nehmen wie sie kommen?" Hilaire Belloc, Die Kreuzfahrten der NONA - und Belloc war jemand, der wusste, was er da schreibt: seine NONA hatte keinen Motor und so musste er so manches Mal in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts sein Schiff mit Hilfe seines Bootsmannes von seinem Dingy aus in einen Hafen oder an einen Ankerplatz schleppen.

Also lasst uns das Wetter nehmen, wie es kommt - ab jetzt wird gesegelt und wenn ich hier an der Geeste eine Woche warten muss, bis ein händiger Wind mich nach Helgoland bringt.

Es ist kalt, aber es scheint die Sonne. Das Echolot ist repariert - Wackelkontakt. An den Vorstagen sind zwei Schäkel ausgetauscht worden, die Rettungsinsel hat einen schnell zugänglichen Stauraum gefunden und der Wetterbericht sagt für worgen NW - W 4-5, zunehmend 6 voraus - Hafentag.

Also zu Janssen und 5 Liter Petroleum kaufen, damit heute abend beim Lesen der Petroleumofen angemacht werden kann.

 

 

der erste Tag

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Published on Mai 13th, 2010 @ 18:05:37 , using 361 words,
der erste Tag

Es nieselt.

Es ist kalt.

Es weht der Wind aus der Ecke in die ich will.

Es ist der erste Tag meiner langersehnten Auszeit, die für mich der Einstieg in einen neuen Lebensabschnitt werden soll - und das bei diesen Bedingungen??????

Hochwasser beim VBS (Verein Bremer Segelfreunde), meinem Heimatverein, ist um 15:30 Uhr, und morgen Freitag muss ich in Bremerhaven sein, um dort ein wichtiges Ausrüstungsteil aus einer Werkstatt abzuholen. Also muss ich los, obwohl mein Sinn nach allem anderen steht.

Es nieselt.

Es ist schweinekalt.

Doch jetzt kommt Ulli um mich zu verabschieden und wir schnacken noch ein bischen - er segelt in ein paar Wochen hoch in die Eisgegend von Grönland - ich bleibe südlicher - und macht Fotos.

Ich will einhand über Helgoland, Eidersperrwerk, Eider, Nord-Ostseekanal, über Fehmanbelt, nach Mecklenburg, Rostock, Rügen, Polen nach Lettland, Estland und dann weiter in den Norden.

Nach über 44 Filmen in 11 Jahren (www.streese-film.de) brauche ich jetzt mal eine Auszeit, um die Kreativitätsakkus aufzuladen.

Und um auf diesen langen Törn, der die nächsten Jahre stattfinden wird, nicht zu vereinsamen, habe ich mir vorgenommen, täglich hier ein Tagebuch zu schreiben - würde ich nur für mich in ein Buch schreiben, würde ich vermutlich bald damit aufhören. So aber gehe ich eine gewisse Verpflichtung ein.

Aber jetz bin ich noch auf der Lesum und es nieselt immer noch.

Und es ist kalt.

Wind 4-5 N bis NNW, abnehmend. also genau daher, wo ich hin will. Heißt motoren. Zum Kotzen.

Als ich das Haus von Karin und Frank an der Lesum passiere, steht Karin am Fenster und winkt - ja, das ist ein wirklich schöner Abschied hier von diesem kleinen schönen Fleckchen Erde.


Auf der Weser erwartet mich eine geschlossene Stratocumulus-Wolkendecke, hellgrau bis dunkelgrau gemischt, dann bei Nordenham bricht im Westen der Himmel auf und die Sonne bricht durch und taucht das Vorland von Bremerhaven und die Industrieanlagen von Bremerhaven ist ein gleißendes überirdisches Licht - das nehme ich jetzt mal als ein gutes Omen.

20:30 bin ich an der Geeste - und der Himmel ist zur Hälfte in ein zartes Azurblau getaucht - die Temperatur sinkt an Bord auf 8 Grad.

Grogzeit.

Das Echolot geht nicht - vermutlich beim Umbau Kabel verwechselt. Morgen ist Hafentag, da kümmer ich mich drum.



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