2014 - Aufbruch Richtung Riga
Published on Mai 14th, 2014 @ 18:59:00 , using 666 words,
Am 30. April breche ich in Bremen bei bestem Wetter auf: auf dem Rücken einen 70 Kg schweren Spezialrucksack von Ortlieb, unter dem linken Arm vier Sätze geliehene schwedische Seekarten und in der rechten Hand eine Plastiktüte mit etwas zu knabbern, zu trinken und ein dickes Buch zu lesen - denn ich werde jetzt 30 Stunden in einem Bus sitzen und wenn ich aussteige, in Riga sein.
Weil der Linienbus von dort nach Mersrags auf der anderen Seite des Rigaer Meerbusens dann schon weg ist, habe ich mir in Riga ein Youth-Hostel gebucht, nicht weit weg vom Bus-Bahnhof, so dass ich dachte, es mit dieser Gepäcklast dorthin zu schaffen.
Dachte ich.
Zwar war die Plastiktüte inzwischen verschwunden, aber das Buch und die Trinkflasche verschwanden auch noch im Rucksack und er war so schwer, dass ich jemanden bitten musste, mir dabei zu helfen, ihn auf den Rücken zu kriegen. Denn eins wusste ich leidgeprüft: den Rücken immer gerade halten, nie krümmen.
Handy raus, dictionary angetippt: Gepäckaufbewahrung: luggage storage, ja, gibt es, 30 Meter weiter.
Dort angekommen, ging ich in die Knie, nicht weil ich nicht mehr konnte, sondern weil ich den Rucksack vom Rücken kriegen musste: den Rücken gerade halten!! Also mit geradem Rücken in die Knie gehen und den Rucksack absetzen.
Jetzt freute ich mich schon ein klein wenig auf das Gesicht des Schalterbeamten, wenn er meinen Rucksack in eines der Regale bringen musste – aber in seinem langen Leben hier an der Gepäckaufnahme sind ihm wahrscheinlich schon ganz andere Dinge über den Tresen geschoben worden – vielleicht ein Ölfass oder was weiß ich, was zu sowjetischen Zeiten hier begehrliche Gegenstände gewesen sein mögen. Also über sein Gesicht huschte ein Erstaunen, als sich mein Gepäckstück nicht vom Fleck rührte, als er es aufnehmen wollte und dann nach einem kurzen Moment des Nachdenkens, ließ er es einfach zu Boden plumpsen, zog es dann über den Betonfussboden und kippte es in ein ebenerdiges Regalfach: Klappe zu, Affe tot.
Na gut, dachte ich, mit diesen Behandlungsmethoden wird Ortlieb schon fertig werden.
Nunmehr befreit von dieser Last, machte ich mich auf den Weg zu jenem Youth-Hostel, was laut Lagebeschreibung hinter der Central-Station direkt neben dem Grand-Palast des Mercury-Hotels sein sollte: größer und näher können Gegensätze wohl nur in New York sein: hier Prachtfassade, 10 Meter weiter das abbruchreife Gebäude eines ehemals wohl ansehnlichen Hauses, mit einem Gewirr von Klingeln, Schildern und ehemals wohl mal funktionierenden Gegen-Sprechanlagen.
Egal, rein, 14 EUR berappt, Bett belegt in einem 6-Bett-Zimmer, wo noch drei weitere junge Frauen ihr Lager aufgeschlagen hatten, mich etwas frisch gemacht, Schlüssel in Empfang genommen und dann los, ich hatte Durst auf ein frisch gezapftes Bier und wollte dabei in meiner von Lothar mir mitgegegebenen Reiselektüre etwas weiter kommen: Jonas Jonasson: „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwan“ – und ich immer noch ein wenig den Verdacht hege, dass da eine kleine, feine Anspielung im Spiel sein könnte – aber egal, die Lektüre hat mich bestens durch die Strapaze dieser 30-stündigen Bustour durch halb Europa gebracht und wird mir noch den Anfang hier in Lettland versüßen.
Es hat eine Weile gedauert, bis ich in der Nähe des Bahnhofes eine entsprechende Kneipe fand und gegen 0 Uhr bin ich dann wieder Richtung Youth-Hostel gegangen.
Jetzt war es hier empfindlich kalt.
Gut geschlafen mache ich mich am nächsten Morgen auf, irgendwo ein Frühstück zu ergattern, was mir letztendlich nur im Service-Haus des zentralen Busbahnhofs im 1. Stock gelang – und dort auch nur in einer zumindest für mich seltenen Form: alle die dort frühstückten, hatten ein Mittagessen vor sich stehen, denn was anderes gab es da überhaupt nicht.
Na, dachte ich, eine anständige Grundlage für den heutigen Tag ist auch nicht zu verachten und danach machte ich mich auf, ein wenig in der Stadt herum zu bummeln. Das Wetter war gut, immer wieder große Flächen blauer Himmel, es war frisch bis kalt, man musste in Bewegung bleiben, aber das wollte ich ja auch.
Gegen 12:00 Uhr trabte ich zurück zum Hostel, auschecken und dann zum Busbahnhof, nächste Station Mersrags, wo MISS SOPHIE auf meine Ankunft wartet.
Mit einem Riesenschreck zurück nach Mersrags
Published on August 25th, 2013 @ 07:14:00 , using 591 words,
2013_08_25
Gerade noch an einer Katastrophe langgeschrammt: von Ruhnu zurück nach Mersrags
Mein Motor läßt mich nicht in Ruhe.
Im Hafen von Ruhnu habe ich mich ihm noch einmal intensiv gewidmet. Es ist jetzt klar, dass es nicht der vermeintliche Unterdruck im Tank sein kann, weil er gar nicht entstehen kann.
Das Entlüftungssystem ist frei und funktioniert. Es muss die separat eingebaute Dieselpumpe sein, die sowieso seltsame Laufgeräusche macht.
Egal wie, ich muss heute zurück nach Mersrags, das sind rund 35 bis 40 sm und der Wind dafür ist gut: NE 3-4 waren angesagt.
10:340. Also los.
Den Motor hatte ich schon eine halbe Stunde laufen lassen, um zu schauen, ob er läuft und er lief.
Die Hafeneinfahrt ist ausgesprochen schmal, ca. 20 Meter breit und hat einen Knick nach Süd-Ost-Ost. Der Wind kam wie gesagt aus Nord-Ost.
Ich bin gerade dabei, in diesen Knick der Hafenausfahrt nach SEE einzubiegen, da setzt der Motor aus.
Für den Schreck blieb mir keine Zeit.
Ich schoß aufs Vordeck, in Sekunden war die Fock losgebändselt, schon war sie oben und ich jumpte zurück ins Cockpit, holte die Fock dicht und segelte aus der Hafeneinfahrt.
Jetzt erst kam der Schreck.
Das war knapp. Mehr als knapp.
Ganz ganz langsam kam ich wieder auf den Boden.
Und musste mir jetzt selbst einmal die Hände schütteln: gut gemacht. Obadja lächelte dazu.
Das Groß kam jetzt dazu, um 12:00 war ich auf dem direkten Kurs nach Mersrags mit 190 Grad.
Die Sonne schien, über den Landmassen ringsum hatten sich kleine Cumulusstraßen gebildet, MISS SOPHIE machte 5-6 Knoten und alles schien gut.
Wenn mich nicht das Problem mit dem Motor beschäftigt hätte.
Denn in Mersrags musste ich unter diesen Bedingungen unter Segeln in den Hafen und an den Steg oder an eine Boje.
Das war zwar noch lang hin, aber ich beschäftigte mich damit immer wieder.
Die Hafeneinfahrt öffnet sich nach Ost, die Einfahrtsrinne ebenfalls, ich würde also mit achterlichem Wind da in den Hafen segeln.
Um 13:00 Uhr war der Wind so zurückgegangen, dass bei dem Wind direkt von achtern, mein Großsegel immer wieder einfiel und im übrigen der hier im Rigaer Meerbusen völlig verrückte Seegang MISS SOPHIE immer wieder von der einen Seite auf die andere warf.
Also Groß weg, Fock weg und den Blister gesetzt.
Der stand, brachte mich aber immer noch nur auf 3 kn.
Ich rechnete. Noch ca. 25 -28 Seemeilen. Bei 3 Knoten noch 8 Stunden also zwischen 21:00 und 22:00 in Mersrags, also vermutlich bei Dunkelheit. Wenn es so blieb.
Um 16:00 Uhr hatte der Wind kräftig zugelegt und MISS SOPHIE schob mit 5-6 Knoten durch die Wellen, die inzwischen 1 Meter hatten.
Es war ein ziemlicher Druck auf dem Blister. Aber ihn jetzt gegen die Fock austauschen, hatte ich keine Lust, weil ich letztlich mit der Selbstwendefock in den Hafen gehen wollte und das hieß, die noch angebändselte Fock und den Blister abtakeln und die SWF setzen, eine etwas aufwendigere Prozedur. Und das wollte ich etwa auf Höhe der Ansteuernungstonne Mersrags machen.
Also noch Zeit.
Aber aufmerksames Steuern war hier wieder angesagt, denn der Wind kam achterlich etwas von steuerbord ein.
Um 20:00 Uhr war ich etwa bei der Ansteuerungstonne, Blister runter, Fock in die Kajüte und die SWF gesetzt. MISS SOPHIE machte mit den 10 Quadratmetern immer noch 4 Koten. Dann schob ich in die Hafeneinfahrt, dort ließ ich den Motor an, in der Hoffnung, dass er es sich noch einmal überlegt hat, ob er mir weiter Probleme machen will, nach dem dritten mal lief er durch und ich riss die SWF runter und konnte die letzten 20 Meter zum Steg mit James machen. Aber Herzklopfen hatte ich schon.
Das war ein stressiges Saisonende.
Scheiße: Kein Wind und Motorprobleme. Nach Ruhnu
Published on August 24th, 2013 @ 05:24:00 , using 960 words,
2013_08_24
Von Kuivasto nach Ruhnu
Am gestrigen Abend hatte ich mir noch die Seekarten für den heutigen Törn angeschaut, so, wie ich es eigentlich immer mache: von hier nach Ruhnu, der kleinen Insel mitten im Rigaer Meerbusen, sind es 50 Seemeilen, also bei den angekündigten Nord bis Nord-Ost 3-4 um die 12 Stunden.
Da es hier im Gegensatz zum Anfang dieses Segeltörns, wo es eigentlich nie dunkel wurde, hier relativ schnell jetzt um 21:00 stockduster wird, stellte ich mir den Wecker auf 05:30, um 06:00 die Leinen loswerfen zu können.
Und so war es auch. Leinen los und los.
Fock und Groß, weil es schon Nord-Ost geworden war, erst 3 Knoten, dann 4 Knoten, dann waren wir bei 5 und langsam fing mein Herz an, wieder freudig zu schlagen, denn jetzt war auch schon die 6 dabei.
Um 10:00, die Insel Saaremaa war noch am Horizont zu sehen, wurde der Wind weniger, ich machte nur noch 4 oder 4,5 Knoten und fing an zu rechnen, wann ich bei dieser Geschwindigkeit wohl ankommen würde.
Um 11:00 ersetzte ich die Fock durch den Blister, dieses Leichtwindsegel, das eine große bauchige Form hat und auch bei leichtestem Wind steht. Das Großsegel fiel inzwischen ein, also weg damit, nur noch der Blister.
Sah zwar schön aus, brachte aber nur 3 Seemeilen pro Stunde. Zu wenig.
Ja, was ist denn mit dem deutschen Seewetterdienst los?
Wenn die gestern Abend für zwei riesige Seegebiete von nachts bis zur nächsten Nacht, für die nördliche Ostsee und den Rigaer Meerbusen Nord bis Nord-Ost 3-4 angeben, und jetz finde ich hier um Mittag Flaute vor?
Was blieb mir anderes übrig, als James anzuwerfen.
Und ich zog mich grummelnd in mich selbst zurück und fragte mich beständig, womit ich dies verdient habe und so weiter und so fort. Obadja aber lächelte dazu nur in seiner weisen Art, die Dinge des Lebens so zu nehmen, wie sie sind.
Da bin ich anscheinend noch nicht.
NEIN.
DA BIN ICH NOCH NICHT
Immer wieder mal noch nicht.
Na, ja, so ähnlich habe ich diese Stunden an der Pinne mit dem Motorgeräusch im Ohr verbracht.
Ich war jetzt in dem Gebiet, wo man nirgends mehr Land sieht.
Um mich herum eine einzige riesige Wasserfläche von kleinen Wellen gekreuselt, ab und zu eine auf dem Wasser schwimmende Möve, am Himmel über den Landmassen kleine Cumulus-Wölkchen, über mir eine riesige blaue Fläche und eigentlich eine Situation, die man nur so geniessen sollte.
Also: es sich in der Plicht gemütlich machen, Motor aus, der Herrgott hat jetzt Pause angesagt und in die blaue Luft schauen und mal gucken, was da für Gedanken in einem hochkommen.
Ja, so sollte man es machen.
Aber der Gedanke, dass ich eigentlich heute Abend ganz geruhsam in einem Hafen meinem Schlafbedürfnis nach kommen möchte, drängt sich da beständig dazwischen.
Das macht kein gutes Gefühl. Beziehungsweise stört diese Situation erheblich.
Um 14:00 entdecke ich am Horizont nur die Ahnung eines Striches.
Aber weil ich inzwischen auf solche Sehzeichen eingenordet bin, hole ich meinen Kieker raus und überprüfe diese Wahrnehmung: Aber auch im Fernglas bei den Bewegungen des Schiffen kann ich nur sagen; ja, könnte sein, ein Sendemast.
So um 15:00 herum verändert sich plötzlich minimal mein Motorgeräusch.
Das kenne ich schon. Scheiße.
Irgendwas in der Dieselzufuhr ist das Problem.
NEIN. Bitte nicht jetzt.
Es ist nach einigen wenigen Minuten weg.
Aber in meinem Kopf bleibt dieser Vorgang gespeichert, hält mich lauernd auf Trapp und meine Aufmerksamkeit geht zu 100 Prozent jetzt auf die Motorgeräusche.
Das Problem ist, das ich von Motoren so viel verstehe wie von Chirurgie.
Um 15:30 wieder ein anderes Motorengeräusch, diesmal etwas deutlicher.
Ich schiebe den Gashebel nach vorne, aber die Umdrehungszahl des Motors ändert sich nicht so, wie man es erwarten würde.
Ich kuppel aus, drehe den Gashebel nach vorne, er dreht auf.
Scheiße.
Irgendetwas ist anscheinend mit der Dieselzufuhr nicht in Ordnung.
Aber was?
Eine halbe Stunde später, um 16:00, die Insel Ruhnu liegt schon querab, geht der Motor nach Ankündigung durch diese veränderten Motorgeräusche wirklich aus.
Ich überlege.
Über Seefunk könnte ich Ruhnu anrufen und um Schlepphilfe in ihren Hafen bitten. Der Hafen ist inzwischen keine 8 Seemeilen entfernt.
Aber andererseits muss ich feststellen: was ist denn los?
Mein Motor ist ausgegangen.
Ich bin in der Nähe eines Hafens, den ich auch bei Nacht ansteuern kann.
Oder ich kann mir wenn alles nicht mehr geht, von dort Hilfe erbitten.
Also keine Panik, sondern überlegen, was ich tun kann.
Problem eingrenzen.
Ich schraube das Öffnungsventil meines extra eingebauten SEPA-Diesel-Filters auf, drehe den Motorschlüssel, um den Zündvorgang einzuleiten, womit die Dieselpumpe in Gang gesetzt wird, aber da spritzt kein Diesel raus.
Also kommt da auch kein Diesel an.
Gehen wir einen Schritt zurück.
Die zusätzlich eingebaute Dieselpumpe, die den Diesel aus dem tief im Kiel eingebauten Tank hochpumpt, wird überprüft: sie gibt merkwürdige Geräusche von sich.
Das Röhrchen, das den Diesel aus dem Tank nach oben zur Pumpe führt, wird mit Durchpusten gestestet: ist frei.
Aber als ich den kleinen Schraubverschluss des Tankes öffne, höre ich ganz kurz das Geräusch von einzischender Luft, so, als wenn sich im Tank ein Unterdruck gebildet hat, der durch das Öffnen des Systems ausgeglichen wird.
Das habe ich mir gemerkt.
Aber ich habe dafür keine Erklärung.
Denn das System der Tankentlüftung, also der Schlauch, der beim Tanken die durch den einfließenden Diesel verdrängte Luft des Tanks nach außen führt und wo beim Verbrauch dieses Diesels, die Luft von aussen zugeführt wird, funktioniert, was ich durch Durchblasen dieser Schläuche geprüft habe.
Das verrückte an der ganzen Geschichte ist, dass durch diese ganzen Überprüfungen der Motor zum Laufen kam, mich sicher in den Hafen von Ruhnu gebracht hat, mich jetz aber weiter in meinen Träumen verfolgen wird, denn morgen muss ich zurück nach Ruhnu, angekündigt ist ein segelbarer Wind von NE bis N 3, danach NE 3-4.
We will see.
(das Bild vom Abendhimmel habe ich in Ruhnu abends gemacht)
Wahnsinn: Segeln wie im Traum: Nach Kuivasto
Published on August 23rd, 2013 @ 05:14:00 , using 894 words,
2013_08_23
Dirhami nach Kuivasto
Wahnsinn: Segeln wie im Traum
Da für den nächsten Tag Nord 5-6 angesagt waren, wurde es für mich ein Hafentag – und die 6 Windstärken orgelten dann auch um unsere hier liegenden Schiffe.
Aber für den Freitag war Nord 5, abnehmend 4 vorausgesagt – und das habe ich dann wahrgenommen.
Morgens um 9 habe ich schon im Hafen die Fock gesetzt und los ging es.
Wolkenloser Himmel, Traumwetter, und weil die 5 Windstärken aus Nord kamen und mein Kurs Süd war, und zwar den ganzen Tag lang bis zum Schluss, sollte es bei diesem Segel auch bleiben und das war gut so, denn es brachte MISS SOPHIE auf 5, dann 6 Knoten und manchmal war auch eine 7 dabei.
Also: das war Traumsegeln. Besser kann man es gar nicht haben.
Aber ich hatte mir für diesen Tag auch viel vorgenommen.
Ich wollte, wenn es denn möglich war, bis Virtsu kommen, der Hafen der am nördlichen Eingang des Rigaer Meerbusens liegt. Denn für den nächsten Tag war ebenfalls Nord angesagt und ich muss dringend zurück, denn meine Arbeit beginnt in Bremen Anfang September.
Und das sind rundgerechnet 65 Seemeilen, was bei 5 Knoten Geschwindigkeit, die aber ja nicht immer durchzuhalten sind, schon mal rechnerisch 13 Stunden sind, die ich bei dem generellen achterlichen Kurs an der Pinne sitzen muss und sie auch nicht einen Moment lang verlassen kann.
Und Moment ist hier ernstgemeint: keine 20 Sekunden, denn dann läuft das Schiff aus dem Wind.
Also muss die karge Verpflegung für diesen Tag in die Plicht: Studentenfutter, Äpfel, Karneelbrötchen, die trocken wie Knäckebrot sind (wichtig, weil ich kann in diesen 13 Stunden praktisch nicht pinkeln gehen, außer ich drehe MISS SOPHIE bei, was einfach eine heftige Fahrtunterbrechung ist), eine kleine Thermoskanne mit Tee, eine Flasche Energydrink und eine Flasche Wasser.
Und das alles nur spärlich genutzt, weil: siehe oben.
Aber bei einem solchen Kaiserwetter und bei dieser für mich geradezu geschaffenen Windrichtung und Stärke, auf die ich zwei Wochen lang gewartet habe, muss das jetzt einfach sein.
Für diesen Tag hatte ich mir einen neuen Kurs ausgesucht, den ich im letzten Jahr nicht gesegelt war, weil ich ihn für zu kompliziert und auch nicht unproblematisch von der Wassertiefe her hielt.
Er verläuft von Nord kommend zwischen der Insel Vormsi und dem Festland auf die alte Stadt Haapsalu zu, biegt dann aber auf das Muhu-Fahrwasser ab, das zwischen den Inseln Hiiumaa und Muhu und dem Festland verläuft.
Dieser Teil aber ist sehr flach. Generell etwa 2 bis 5 Meter tief und deshalb mit teilweise sehr eng betonnten Durchfahrten versehen.
Und da mir der Skipper der neben mir liegenden großen Yacht gestern in Dirhami gesagt hatte, dass er auf diesem Weg hier hergekommen sei und er einen Tiefgang von zwei Meter hat, dachte ich, das für MISS SOPHIE mit ihren Einmetervierzig da wohl Platz genug ist.
Und diese Entscheidung war richtig.
Denn ich liebe es, relativ nah an Küsten lang zu segeln, also so, dass man im Prinzip die Äste von den Bäumen greifen kann (als Bild gebraucht).
Und das alles so hautnah miterleben zu können, weil ich die ganze Zeit auf der hohen Kante beim segeln saß, das ist schon ein richtiges Sonntagsfest.
Als ich dann Haapsalu passiert hatte und den ihr zugehörigen Fähr-Hafen, der eine kleine Marina hat, war es 14:00 Uhr und ich entschied, gleich weiter zu segeln nach Virtsu, das am nördlichen Eingang des Rigaer Meerbusens liegt. Das sind nochmal ca. 25 Seemeilen, dass heißt bei diesem Wind noch einmal ca. 6-7 Stunden.
Das Fahrwasser hier ist aber sehr viel großzügiger als das vorherige, obwohl die Wassertiefe nicht wirklich so ganz anders ist.
Aber hier handelt es sich schon um eine Meeresdurchfahrt, weil es die entsprechenden Dimensionen hat: an der breiten Stelle sind es 10 Seemeilen, während meine Durchfahrt eine Seemeile war und das Fahrwasser sehr eng entlang der Küste der Insel Vormsi verläuft.
Übrigens habe ich hier ein Seeadlerpärchen gesehen, die über dem Wasser ihre Kreise zogen.
Die ganze Zeit zog mich meine Fock, während ich hinten auf der hohen Kante saß, ab und zu ein Karneelbrötchen knabberte und dieses Segelerlebnis einfach genoss.
Aber ich gebe zu, langsam konnte ich eine Pause gebrauchen.
Die war aber noch in weiter Ferne.
Gegen 19:00 Uhr näherte ich mich Virtsu und rechnete mir aus, wann ich da wohl fest bin, denn meine Überlegung nach Virtsu zu gehen, war nicht nur der Übernachtungspreis, sondern dass es da in 100 Meter Entfernung einen Supermarkt gab und ich schon seit Tagen auf dem Trockenen saß.
Als ich dort um 20:00 Uhbr an kam, musste ich feststellen, dass der so wunderbar in der Broschüre der ihn betreibenden „SL MARINAS“ beschriebene Liegeplatz ein einziger Schrotthaufen war, der zu dem noch dem Nordwind recht ungeschützt ausgesetzt war.
Nein, an diese Roststelle werde ich mich nicht legen.
Aus der Traum, jetzt muss ich auf die gegenüberliegende Seite nach Kuivasto und mich dort in die neu gebaute Marina legen. Das aber heißt noch einmal eine Stunde, die ich segelnd brauche und als ich dann da ankam, war es 21:00 und die Sonne gerade unter gegangen.
Ich war, gebe ich zu, sehr frustriert.
Ich hatte mich auf diesen Gang in den Supermarkt nach drei Monaten finnischer Abstinenz ziemlich gefreut – und hier nun diese Absteige, wo alles natürlich schon geschlossen hat.
OK. Müssen wir durch.
Essen warm machen und dann in die Koje. War ein langer, anstrengender Tag, der soooooo schöööön begann und dann diesen leider etwas abgeschmackten Abschluss fand.
Kein Bier mehr zum Abschluss diesen wunderschönen Tages.
Schade.
Zurück nach Estland. Zweiter Teil: Alles wird gut.
Published on August 22nd, 2013 @ 09:48:00 , using 412 words,
2013_08_21
Für diesen Teil der Ostsee hatte ich nur alte russische Karten, die nicht auf dickem Papier und mit einer Spiralbindung versehen waren, sondern aus hauchdünnem Papier und aus 25 Einzelkarten bestanden.
Unmöglich, diese Karten bei diesem Wind ins Cockpit zu holen.
Und z.Z.unmöglich, mir in diesem Kartensatz die beiden für mich jetzt wichtigen Karten heraus zu suchen, außer ich würde dafür beidrehen, weil ich die Pinne nicht verlassen konnte und das Steuern auch eigentlich meine ganze Konzentration erforderte.
Das Land wurde größer, irgendwann hatte ich es an Steuerbord und sah auch schon die Nock, wo ich meine Bucht mit meinem Hafen vermutete.
Ich folgte am Kartenplotter meiner Kurslinie und konnte auf die schnelle auf meinem Kurs keine bedenklichen Untiefen oder sonstiges entdecken und widmete mich, mit einem zweiten kleinen bittenden Blick auf Obadja, wieder meiner Steuerarbeit an der Pinne.
Hätte ich einen etwas größeren Ausschnitt des Kartenplotters gewählt, wäre mir aufgegangen, dass das Land hier steuerbord nicht das Festland war, sondern die ihr vorgelagerte Insel Osmussaar, die aber in meiner Erinnerung überhaupt nicht existierte.
Was mir aber zu denken gab, war, das seltsamerweise war mein WP (Waypoint auf dem Kartenplotter) noch so weit weg war, ca. 6 Seemeilen und ich die Strecke von der Tonne zum Hafen für recht kurz in Erinnerung hatte, vielleicht eine Seemeile.
Irgendwie schien meine Interpretation nicht so recht mit der diditalen Karte und meiner Erinnerung überein zu stimmen. Denn mein Plotterkurs entfernte sich eine große Strecke von meinem vermeintlichen Hafen.
Aber meine Überlegungen wurden beständig von der Pinnenarbeit unterbrochen, denn hier wurde es langsam flacher und der Seegang nahm zu. Also das Messer zwischen die Zähne und durch, wie es so schön Robert Kirchner des öfteren beschrieben hat (Eher rau. Ein Törn rund Großbritannien).
Als ich dann an der Tonne angekommen war, musste ich eh beidrehen, weil ich die Segel bergen wollte und nahm dies zum Anlass, mich mal ausführlicher mit den Seekarten zu beschäftigen.
Und nun war alles klar.
Das, was ich für das Festland gehalten hatte, war die ihr vorgelagerte Insel Osmussaar, das was ich für die vermeintlich Bucht mit meinem Hafen an der Nock gehalten hatte, war die See zwischen der Insel und dem Festland.
Aber einen Schreck habe ich trotzdem bekommen.
Über meine fahrlässige Art, diesen Törn vorzubereiten.
Danke Obadja.
Um 16:30 mache ich hier fest und gehe gleich noch schnell zu dem kleinen Laden hier, um nach 3 Monaten endlich mal wieder ein paar Biere trinken zu können, ohne besorgt auf mein Konto schauen zu müssen.
Endlich! Zurück nach Dirhami, Estland. Erster Teil: Der Schreck
Published on August 22nd, 2013 @ 09:40:00 , using 588 words,
2013_08_21
Die Zeit lief mir unter den Händen weg. Seit zwei Wochen habe ich hier nur Süd bis Süd-West-Winde und wenn sie denn mal aus Nord-West kommen, dann gleich mit 6-7 Beaufort.
Der Versuch gestern scheiterte, zu wenig Wind und dann auch noch wie üblich aus SüdWest.
Heute aber sollte er am frühen Mittag auf West (bis SüdWest) gehen, also stelle ich meinen Wecker auf 06:00 Uhr und bin um 06:30 weg.
SW 2.
Na gut, denke ich, muss ja nicht gleich mit dem optimalen Traumwind losgehen. Also Blister und Groß.
Mit 2 Knoten dümpelte ich durch die See, so war nicht der Finnische Meerbusen zu queren.
Aber ich dachte, es ist ja noch früh am Tag, geben wir ihm noch ne Chance.
Um 08:00 Uhr war ich an meinem 5 sm entfernten WP.
An Helterma war eigentlich nicht mehr zu denken. Noch 70 Seemeilen und dann den Kurs immer noch nicht anlegen können, das konnte ich knicken.
Was kam in Frage?
Da gab es eine neue kleine Marina an der nordwestlichen Festlandecke von Estland: Dirhami.
Im Plotter den Ort aufgesucht, weil ich dort letztes Jahr schon mal war und mir meinen WP dort schon gesetzt hatte. 36 Seemeilen. Das schien denkbar und war eh ohne Alternative.
Also keine Kursänderung, sondern relativ hoch am Wind weiter, jetzt aber mit einem Ziel vor Augen.
Früstück.
Was man denn mit der Pinne in der Hand unter Frühstück versteht: trockene Karneelbrötchen und Tee und dazu eine Banane.
Um 10:00 Uhr machte MISS SOPHIE schon 3-4 Knoten, um 11:00 Uhr waren es 4-5, aber der Wind blieb SüdWest.
Ich näherte mich jetzt dem Dampfertrail und hatte von Backbord fünf große Pötte und von Steuerbord weiter weg 4.
Aufmerksam studierte ich deren Geschwindigkeiten und konnte aber beruhigt feststellen, dass sie vor mir vorbei gehen würden.
Um 12:00 Uhr machte MISS SOPHIE 5-6 Knoten, der Druck auf der Pinne wurde größer und das Großsegel musste ich etwas öffnen, aber damit fing es an zu killen und zu knattern, also musste gerefft werden und der Blister gegen die Normalfock ausgetauscht werden.
Und wieder stellte sich bald heraus, das ein Reff im Groß in der Regel zu wenig ist. Ich hab es mir schon als Zettel an die Bordwand gehängt und trotzdem ignoriere ich es immer wieder (danke Uwe für diese Segelweisheit).
MISS SOPHIE stob jetzt mit 6-7 Knoten durch die größer werdenden Wellen, und manchmal fing ich innerlich an zu jubeln, wenn auf dem Plotter 7,8 kn Geschwindigkeit erschien. Wahnsinn.
Aber das Steuern war jetzt anstrengend geworden: ich hatte mich im Cockpit mit den Füßen auf der gegenüberliegenden Kante eingekeilt, MISS SOPHIE schob mit 20 Grad Lage durch die Wogen, manche musste ich aussteuern, den Böen musste ich mit Ruderkorrektur entgegenwirken, aber meinen Kurs konnte ich jetzt gut halten, weil es West geworden war und die Geschwindigkeit meines Schiffes machte mir eigentlich große Freude.
Als ich am Horizont zwei kleine, winzige Striche sehen konnte und darunter einen mehr zu ahnenden dunklen Strich, der Land bedeutete, realisierte ich, dass ich mir auf der Karte mein Ankunftsareal überhaupt nicht angeschaut hatte.
Ich bekam einen ziemlichen Schreck.
Streese, was ist mit dir los?
Ich versuchte mich zu erinnern.
Aber an diesen Landfall im letztes Jahr hatte ich nur die Erinnerung, dass es da eine Tonne gab, die, auf die ich meinen Kurs jetzt auch ausgerichtet hatte, und ab da nach Steuerbord eine schmale Kurslinie, weil es links und rechts flach ist.
Nicht sehr hilfreich, zumal ich jetzt nicht von West kam sondern von Nord.
Ein Blick zu Obadja mit der Bitte, jetzt scharf Ausguck zu halten, den er wie immer freundlich erwiderte.
Im nächsten blog geht es weiter
Wind. Hanko.
Published on August 15th, 2013 @ 10:17:00 , using 497 words,
2013_08_09, 11., 13., 14., 15.
Hanko
Seit sechs Tagen kommt der Wind penetrant aus dem südwestlichen Sektor, da, wo ich hin muss, um zurück nach Mersrags, gegenüber von Riga, zu kommen. Kein Flehen hilft, kein Schimpfen wendet die Richtung, kein Knirschen mit den Zähnen bringt ihn nach Nord.
Täglich gehe ich hier in die Bibliothek und klicke mich dort durch die Seewetterdienste, aber es hilft nicht: er kommt immer noch aus SW und jetzt aus W mit 5, 6, 7 Beaufort.
Solange es eine physisch sichtbare oder spürbare Entsprechung zu den Wetterprognosen gibt, ist ja alles gut: ich spüre den Wind auf der Haut, höre die Takelage pfeifen, sehe die Windrichtung an den Fähnchen und Verklickern.
Aber wenn es diese physische Entsprechung nicht gibt, dann bleibt alles in einem vagen vielleicht: ja es könnte so sein, dass da draußen diese angekündigten Windstärken sind, aber es könnte auch sein, dass sie da draußen nicht sind und dann vertrödele ich hier meinen Tag.
Und da beginnt das Problem, weil sich mein Kopf in diesem Zirkelschluss aufhängt.
Dann muss ich was tun.
Spazierengehen. Was reparieren. Kochen.
Aber besser ist, das, was in mir vorgeht, bewußt wahrnehmen, aufschreiben, festhalten.
Damit banne ich die Vorgänge, mache sie meinem Bewußtsein zugänglich und lerne dadurch wieder ein Stück von mir kennen. So auch heute wieder.
Die Unruhe, ob da draußen wirklich dieser angekündigte Wind herrscht, bekam ich auf diesem Wege wieder unter meine Kontrolle, in dem ich sie mir 'vom Leibe schrieb'.
Hundert Meter von meinem Liegeplatz hat ein Laden aufgemacht, der Restbestände von Yachtartikeln verscherbelt und ich erstehe dort ein paar Kleinigkeiten und ein Vorhängeschloss aus Niro für den Niedergang.
Inkeri und Simo kommen abends vorbei und wir reden so gut es geht auf englisch über Segelschiffe, Leben auf See und was für Pläne wir noch so haben (ich weniger, sie viele), ich schenke ihnen mein Buch von Wilfried Erdmann: Tausend Tage Robinson, in dem er seine Weltumseglung mit seiner frisch angetrauten Frau in einem Schiff meiner und auch Simo und Inkeris Größe (9 Meter) beschreibt. Beide freuen sich darüber.
Am Sonntag den 11.08. versuche ich loszukommen, muss aber wegen zu wenig Wind aund auch noch aus der falschen Richtung wieder umkehren: so schaffe ich diese 70 sm nicht.
Zwischenzeitlich stürmt es hier ein wenig und in der Takelage fängt es an zu heulen, dann kommen ein paar Gewitter und dann ist es wieder schön, aber mit der falschen Windrichtung.
Und am Himmel ist ziemlich viel los.
Als plötzlich der Wind ganz aus Süd kommt und mir Regen in den Niedergang treibt, will ich schnell das Luk dichtmachen und kippe dabei mein mit einem kleinen Schluck Rum gefülltes Glas auf den Kajütboden: Aber statt wütend zu werden, was mich ganz kurz durchzuckte, beschließe ich, das als sanfte Aufforderung zu nehmen, meinen Boden einmal mit ein bisschen Rum sauber zu wischen: was erstens einen wunderbaren Geruch in die Kajüte bringt und zudem der Alkohol auch etwas tiefere Sauberkeit auf dem Boden schafft.
Zur Regel möchte ich mir das allerdings nicht machen, leider, weil zu teuer.
Inkeri, Simo, LI und ein kostenloser Liegeplatz
Published on August 6th, 2013 @ 17:15:00 , using 281 words,
2013_08_06
Gestern abend habe ich noch eine mail auf die Adresse von www.miss-sophie.ch von einer jungen Frau bekommen, die mein Schiff und darauf meine internet-Adresse gesehen hatte und zu Hause gleich eine mail schickte. Ich habe natürlich geantwortet und am nächsten Morgen stand sie am Steg.
Inkeri hat Deutsch in der Schule gelernt und regelmäßig in Deutschland für eine finnische Honigfirma auf den Weihnachtsmärkten unterwegs. Mit ihrem Freund ist sie gerade dabei, eine Aluminiumyacht meiner Größe für eine Fahrt in die Südsee zu sanieren und auszubauen und sehr interessiert an Segelschiffen dieser Größe, die schon größere Touren damit gesegelt sind.
Zwei Stunden später stehen wir vor ihrem Schiff und ich lerne ihren Freund Simo kennen, der allerdings kein Deutsch spricht. Das Schiff, aus Alluminium, 30 Zentimeter länger als MISS SOPOHIE, heißt "LI".
Noch zwei Stunden später bekomme ich ihren Liegeplatz hier im Hafen für umsonst, weil ihr Schiff ja noch an Land steht. Ein Platz hier im Yachthafen kostet regulär für ein Schiff meiner Größe ohne Elektizität 25 EUR die Nacht, was ja OK ist für eine fünfköpfige Familie, die entsprechend jeden morgen Duschwasser etc. für 5 verbraucht, aber für einen Einhandsegler recht viel Geld, erst recht, wenn er nicht jeden Tag stundenlang unter der Dusche steht.
Ihren Eltern, die gerade mit ihrer Yacht ebenfalls meiner Größe wiederkommen, gebe ich ein Stück frisch gebackenes Brot mit, was sie sehr interessiert und auf Nachfrage das Rezept gleich mit. Die dafür notwendige Omniabackform (kommt aus Schweden) haben sie schon.
Donnerstag, den 08.08.
Ich werde wohl noch ein bischen bleiben müssen.
Kam der Wind bisher aus Süd, dort wo ich hin muss, sind morgen 6-7 aus SW angekündigt. Da werde ich wohl ein Bishen bei der LI zu Hand gehen.
Rundgang über eine finnische Schäre
Published on Juli 31st, 2013 @ 17:39:00 , using 153 words,
Ein Rundgang über eine finnische Schäre
Manchmal sind die Schären platt wie eine Flunder, die meisten größeren Schären sind aber geprägt von den rundgehobelten Felsen, die von der kilometerdicken Eisschicht während der letzten Eiszeit glattgeputzt wurden.
Landwirtschaft ist auf ihnen nur in relativ kleinen, im Laufe der Jahrtausende in den Senken mit Humus aufgefüllten Feldern möglich.
Von der hier anwesenden Vegetation kenne ich natürlich die hier vorherrschenden Birken, die kleinwüchsigen Bergkiefern, manchmal auch höher wachsende in kleinen Wäldern und von den Sträuchern und kleinen Pflanzen kenne ich Strandflieder, Strand-Astern und Strand-Beifuß oder eine diesem sehr ähnliche Planze, die hier Palläronkolajäjä heißt, auf jeden Fall fand ich diesen Namen neben einer dieser hier sehr kleinwüchsigen Pflanze, die in südlicheren Strandgegenden größer wächst.
Das erstaunliche ist, wie sich hier in den kleinsten Felsspalten die Bergkiefern (oder das, was ich dafür halte) festsetzen und es selbst in einem Zentimeter dicken Spalt zu stattlichen kleinen Bäumen schaffen.
Mit der Seele segeln und in der Seele segeln: nach Hanko
Published on August 5th, 2013 @ 19:29:00 , using 1023 words,
2013_08_04
Der Tag begann mit einem strahlend blauen Himmel und er versprach gut zu werden, denn Turku hatte Winde zwischen 3 und fast 5 Beaufort angekündigt und dann noch aus der richtigen Richtung, nämlich Süd, ich will nach Hanko und das liegt im Osten und ist recht weit weg, runde 30 bis 35 Seemeilen, also bei 4 kn runde 9 Stunden.
Also wurden hurtig um 11 Uhr die Leinen losgemacht, Fock und Groß gesetzt und es ging los.
Das Wetter war blendend, der Kapitän guter Laune, MISS SOPHIE machte sich munter auf den Weg und alles war gut.
Eine kleine Privat-Regatta mit einem Nebenbuhler, einem etwa gleich großem Plastikschiff, gewann ich merkwürdigerweise, denn eigentlich sprach alles gegen mich: ausgelutschte Segel, dreimal so schwer, schlechteres Unterwasserschiff (weil Stahl und Knickspant), aber es war so.
Dann wurde das Hochgefühl langsam etwas weniger.
Weniger Wind.
Die ersten Yachten motorten munter an mir vorbei, aber ich blieb stur.
Dann noch weniger Wind.
Um 14:00 Uhr machte ich noch 2,5 kn, soviel wie ein langsamer Radfahrer, der Himmel zog sich langsam zu, immer mehr Yachten brummten mit dem Motor und zogen vorbei, und ich fing an zu rechnen: bei der Geschwindigkeit …... bis ich um 15:30 langsam einsah, dass das mit segeln wohl heute nichts mehr wird. Vor allem wenn der Wind direkt von hinten kommt und das Großsegel wie ein breitgespanntes Betttuch quer vom Schiff absteht, dann bremst es das bischen Fahrt, was durch es bewirkt wird.
Ich bekam schlechte Laune.
Wieso stecke ich immer in einer Flaute?
Warum passiert das immer mir?
Und warum das gerade heute?
Und wieso überhaupt?
Das ging eine ganze Weile so, meine Laune immer schlechter, der Himmel immer dunkler und schließlich stand MISS SOPHIE und ich auf ihr auf der Stelle mitten im Meer.
MISS SOPHIE bewegte sich nicht mehr von der Stelle.
Sie stand einfach still.
Auch nicht schlecht. Aber irgendwann würde ich müde werden. Und das Ende von dem Törn endete in einem komplizierten Gewässer, das ich nicht gerne bei Dunkelheit durchqueren möchte, mit Flachs, die nur von unbeleuchteten Tonnen gekennzeichnet sind.
Und so geruhsam und still war es hier auch nicht: Es war Sonntag-Nachmittag, alle wollten und/oder mussten zurück nach Turku, weil morgen die Arbeit ruft, oder weil die Kinder langsam nörgelig werden und am Strand oder wo auch immer spielen wollen, oder die Ehefrau langsam genug hatten oder oder oder und ein nerviges Motorboot nach dem anderen dröhnte an mir vorbei und ließ meine nörgelige Stimmung zu wahren Hochtouren auflaufen.
Aber man hat ja nicht umsonst auf der Couch gelegen.
Irgendwann trat ich einen Schritt beiseite und guckte mir diesen nörgeligen, immer schlechter gelaunten Streese von der Seite an und sagte zu ihm:
„Na Streese, kennste das?“
"JA"
Ich kannte das.
Das kannte ich so gut, dass dass es mich irgendwann auf die Couch getrieben hat.
Es ging nicht nach meinem Willen.
Und das machte mir schlechte Laune, machte mich wütend, erst auf die anderen, dann auf mich selbst und am Ende stand ein völlig zerknirschter Streese da, der auf die ganze Welt in die Tonne treten wollte.
So war das mal.
Und jetzt war es wieder so.
Aber einen ganz kleinen Unterschied gab es jetzt zu damals: Ich kann jetzt neben mich treten.
Und das macht eine ganze Welt aus.
Und jetzt war wieder eine solche Situation.
Und plötzlich konnte ich innerlich lächeln.
'Streese, du bist zwar Opfer deiner Gefühle, aber du bist auch der Produzent deiner Gefühle.'
Und nach einer Weile, wo ich so neben mir stand, nein saß, denn wir waren ja auf MISS SOPHIE, und ich dem neben mir leidenden Streese ein Stückchen näher rückte, konnte ich ihm sagen:
„Streese, das kennst du doch und inzwischen weißt du auch, woher diese Gefühle kommen, wo sie entstanden sind und an diesen Ort musst du dich jetzt wieder begeben, um ihren Ursprung noch einmal zu kosten und dann wieder zurück kehren an diesen Ort hier auf MISS SOPHIE, wo dich diese Gefühle wieder eingeholt haben und sie dir unter diesem Aspekt noch einmal anschauen: Erkennst du das Grundmuster wieder?
Na, sagt schon, erkennst du es?'
' Ja.'
Und ich musste lächeln.
Meine Großmutter.
Mutterersatz. Weil meine Mutter arbeiten musste. Oder wollte. Oder beides.
Meine Großmutter, die auf jede Regung von mir mit Angst, Schrecken und Panik und später dann mit Herzattacken reagierte: dem ihr anvertrauten Enkel könnte etwas passieren, wenn er sich bewegt, und bewegen heißt Gefühle zeigen.
Nein, nicht mir könnte etwas passieren, sondern ihr wird etwas passieren, wenn ich weiter meinen eigenen Willen zeige.
Nämlich ihr Herz wird aussetzten.
Und das machte mir bei der kleinsten Regung meines eigenen Willens ein Problem: ich merkte, dass ich für den Zustand meiner Großmutter verantwortlich bin. Dasb ihr Zustand mit meiner Art zu sein, etwas zu tun hat (ich war da ja schließlich erst 3, 4, 5 Jahre alt).
Ich bekam ein schlechtes Gewissen.
Aber ein Kind muss seinen eigenen Willen entwickeln, sonst geht es zu Grunde.
Und deshalb wurde dieser Konflikt für mich existentiell, denn beides war da: die Notwendigkeit, meinen Willen zu entdecken, zu zeigen und durchzusetzen und die damit verbundenen Folgen, dass eine von mir am Anfang geliebte Person zum Verhinderer meiner Entwicklung wurde, oder, um es in seiner Dimension deutlich zu machen, mich töten musste, würde ich weiter meinen Willen entwickeln wollen.
Also musste ICH töten.
Und plötzlich wusste ich, wozu diese Flaute unter einem dunkelgrauen Himmel für mich da war: Noch einmal und noch ein Stückchen tiefer und intensiver zu begreifen, wie ich zu dem wurde der ich bin.
Ich war wieder bei mir.
Der neben mir sitzende Streese war verschwunden, der griesgrämige Streese war ebenfalls verschwunden und auf MISS SOPHIE saß ein gutgelaunte Streese, der gerade einen Fight gewonnen hatte.
Um 19:30 war ich in Hanko, nach dem es zum Schluss navigatorisch noch einmal etwas spannend wurde und zudem am Himmel ganze Kommentare zu meinen inneren Vorgängen stattfanden.
In Hanko, an meiner Boje, an der ich festmachen wollte, entdecke ich einen Bojenhaken, den ich mit einiger Mühe losbekam, weil er verbogen war und deshalb dort auch wohl zurück gelassen worden war, den ich am nächsten Tag mit etwas Mühe wieder in Stand setzte und nun habe ich ein solches ganz nützliches Gerät, was im Laden 80 EUR kostet.
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