Törnbericht: Nach Montu auf der Insel Saaremaa - Montu bekommt den rostigen Anker
Published on August 4th, 2011 @ 16:20:59 , using 902 words,
Morgens um 03:15 klingelt mein Wecker. In diesem Teil des Hafens ist es noch stockduster, während am gegenüberliegenden Hafenbecken schon hinter den Gebäuden des erste Tageslicht sichtbar wird (Bild 1).
Ich will eigentlich nach Roja, was schon im Rigaschen Meerbusen liegt, an der Westküste, aber der Weg ist einfach zu weit: 80 Seemeilen. Wenn ich mit gutem Wind 4 Seemeilen mache, sind das trozdem mindestens 20 Stunden – eher mehr, denn die Ausfahrt und die Einfahrt in die Häfen ist da noch nicht bei und ich segele auch nicht den Idealkurs, sondern wie beim Fahrradfahren in Schlangenlinien, also sind es nicht 80 sondern 90 Meilen und das heisst mindestens 24 Stunden bei einem idealen Wind, der mir für drei Kurse dienlich sein muss: zunächst Nord-Nord-Ost, dann Ost und dann Süd. Das kann eigentlich nur ein Westwind.
Wenn der Wind nicht so optimal ist, laufe ich mit drei Knoten und es sind dann 30 Stunden. Und in der Nacht schläft der Wind hier unter dieser Grosswetterlage ein, das heisst, wenn ich nicht motoren will, werden es dann 40 Stunden. Das ist einfach zu viel.
Deshalb habe ich mich entschlossen, nach Montu zu segeln, das liegt auf der weit in die Irbenstraße hineinreichenden Halbinsel der Insel Saaremaa, die zu Estland gehört. Das sind nur 53 Seemeilen, immerhin, und deshalb bin ich so früh aufgestanden, um hinten Reserve zu haben.
Nach den völlig ungewöhnlichen tagelangen Nord-Ostwind soll er heute zunächst aus Ost mit 2 – 4 Windstärken kommen um dann nach 12:00 Uhr auf Süd-Ost zu gehen, und das wäre ein für mich sehr günstiger Wind, denn mein Kurs verläuft zunächst Nord-Nord-Ost und wird dann ein Nord-Ost-Kurs bis kurz vor den Einlauf in den Hafen von Montu.
Der Wind kommt schwach aus Ost. Ich setzte Segel (Bild 2) und ich benötige ein wenig Zusatzkraft von James.
Um 07:00 ist der Wind auf Süd gegangen, schwachwindig, weiter muss James mitschieben. Nerv.
Um 08:00 habe ich den Leuchtturm Ovisu querab und der Wind schläft völlig ein.
Um 09:30 bin ich an meinem Wegepunkt in der Irbenstraße und mein Kurs geht jetzt auf Nord-Ost.
Um 10:00 geht der Wind auf NNW 2, so dass ich meinen Kurs gerade noch anlegen kann (Bild 3).
Um 11:05 höre ich den Wetterbericht vom DF, der sagt für mein Seegebiet SE – S 3 an. Ich habe NNW.
15:00 Habe ich meinen WP erreicht und kann nun auf die Insel Saaremaa zulaufen, über der sich eine schöne Cumuluswolke gebildet hat (Bild 4)
Um 16:00 bin ich völlig genervt von dem motoren und den völlig daneben liegenden Windvoraussagen und mache in Montu fest.
Dort steht auch schon ein älterer Mann an Land und kaum habe ich die Leinen fest, deutet er auf ein Schild, auf dem überdeutlich riesengroß geschrieben steht: „PORT FEE 16 EUR“ Bild 5).
Ich mach ihm deutlich, dass ich keine Euros habe, ich mit lettischem Geld bezahlen könne, oder aber mit dem Geld, dass hier seine Währung ist, mache ihm aber zugleich deutlich, dass ich äußerst überrascht über diesen Preis sei, für einen Hafen, in dem in den letzten 80 Jahren nicht ein Handschlag getan worden sei. Die Schwimmstege liegen noch immer an Land und rotten vor sich her, die Jörn Heinrich schon bei seiner Recherche 2005 an Land liegend vorfand (Bild 6).
Montu besteht im Grunde genommen lediglich aus einem großen Gebäude, das wohl mal für die Fischer da war - jetzt war kein einziges Fischerboot im Hafen.
Und einem Gebäude, das mal der Einklarierung diente und daneben die sehr guten sanitären Anlagen beherbergt. Sonst gibt es hier nichts.
Als ich ihm dies versuchte zu erklären und dann noch einmal sagte, ich habe keine EUR, macht er jetzt eine deutlich geradezu obszöne Handbewegung, wie, wenn man einen lästigen Köter verscheucht: Ich solle verschwinden.
Ich wende mich ab und mache mir mein Abendbrot: Pellkartoffeln mit Dosenfisch und muss mich über diesen verkorksten Segel-Motor-Tag mit ein paar Bier und ein paar Wodkas beruhigen.
Das wird dann doch noch ein langer Abend, denn ich höre drei Hör-CD's: Moby Dick, und noch der eine oder andere Wodka findet seinen Weg zu mir.
Und der Hafen Montu bekommt den rostigen Anker für unfreundliches Verhalten.
Bild 7 + 8: Der Hafen von Montu und mein Liegeplatz
Anmerkung zum motoren:
Motoren ist für mich aus zwei Gründen so nervig.
Erstens habe ich die Philosophie, dass der Motor nur für die Häfen da ist und in Notsituationen, um einen aus dem Schlamassel zu holen. Denn wenn mein Denken beim Segeln anfängt, zweckrationale Gründe in Erwägung zu ziehen, warum man dann und dann dort zu sein hat, weil....., und deshalb motort werden muss, dann kann ich mich doch gleich ins Auto setzen und dort hinfahren. Segeln heißt für mich, der Weg ist das Ziel.
Und zweitens finde ich motoren so unendlich langweilig, dass ich dabei schlechte Laune bekomme.
Motoren regt in keiner Weise meine Sinne an, im Gegenteil, tötet sie mit unendlicher Eintönigkeit ab und das nervige Geräusch tut das übrige.
Was für ein Unterschied zum Segeln.
Da werden alle Sinne beansprucht, ich höre den Wind und achte darauf, wie er bei einer bestimmten Segelstellung sich anhört, ich sehe die Wellen, ich erlebe, wie sich mein Schiff bei welcher Windstellung wie bewegt, sich auf die Seite legt, wieder hochkommt, sich wieder auf die Seite legt, ich habe die Wolken im Auge, den Horizont, achte auf generelle Wolkenveränderungen, die eine Wetteränderung ankündigen könnten, ich achte auf die Kompassnadel, habe den Plotter im Auge, habe im Kopf die Seekarte, achte auf die Art der Wellen und und und.
Ich bin ganz im Jetzt.
Das ist gelebter Augenblick in seiner ganzen Intensität.
Deshalb segel ich.
Törnbericht Pavilosta nach Ventspils: Toller Empfang im Hafen
Published on Juli 30th, 2011 @ 13:02:09 , using 555 words,
Toller Empfang in Ventspils
39 Seemeilen lang ist der Törn von Pavilosta nach Ventspils. Süd-Ost bis Ost 3-4 war bis 12 Uhr angesagt, ab 15:00 sollte er dann nach Nord drehen, also gegenan, denn mein Kurs bis zum WP Let-06-WP würde 15 Grad sein, mit Einrechnung von Abdrift und Ströhmung Nord, um dann an dem Wegepunkt (WP) auf 40 Grad zu gehen, direkt auf Ventspils zu. Also wollte ich unbedingt vor 15:00 Uhr in Ventspils sein, um den Nord nicht gegenan zu kriegen. Für die ganze kommende Woche war dann Nord-Ost angesagt, also die letzte Möglichkeit, noch nach Ventspils zu kommen.
Kurz nach 4 Uhr morgens komme ich los. E 2. Die Mannschaft vom Nachbarschiff der „LOTTE“ winkt (wir hatten gestern Abend noch im Restaurant lange miteinander gequatscht), und draussen auf See erlebe ich dann den Sonnenaufgang. Ich laufe unter Groß und Genua, 50 Quadratmeter Segelfläche, 4-5 kn. Wunderbar. Hoffen wir, dass der Wind und die Richtung so bleibt.
Um 08:00 Uhr geht der Wind runter 1 Beaufort und auf ENE. Ich rufe James zur Arbeit und der läuft dann auch mit 1100 Umdrehungen und bringt mich auf 4,5 kn. Danach übergebe ich die Steuerung Admiral von Schneider und experimentiere ein wenig mit meinem Camcorder herum.
Ich hatte mir in Pavilosta eine Vorrichtung gebaut, mit der ich den Camcorder an verschiedenen Punktes des Schiffes anbringen konnte und zwar so, dass ich dabei die Pinne nicht aus der Hand nehmen muss. Am Hahnepot des Achterstags, an einer Relingsstütze, am Niedergangsluk mit Blick nach achtern ins Cockpit und an der Badeleiter mit Blick nach achtern oder voraus ins Cockpit. Und das probierte ich nun aus.
Um 09:00 habe ich den Leuchtturm Uzava querab und ich nehme die Segel weg, weil kein Wind mehr ist.
Um 10:25 habe ich meinen WP erreicht und ich gehe auf KK 40 Grad. Noch 9 Seemeilen bis Ventspils. Hier kommt mir das erste Schiff entgegen, ein Segler, ansonsten ist auch diese Küste ohne jegliches Zeichen von Leben: keine Fischernetze im Wasser, keine Fischerboote, keine sonstige Berufsschiffahrt, keine Segler - nichts.
Um 10:45 geht der Wind auf Nord, 2-3 Beaufort, der eigentlich erst ab 16:00 auf Nord gehen sollte. Gut, dass ich so früh los bin, denn auf diesem Kurs kann ich das Groß dazu setzen, dass noch einmal einen Knoten zusätzliche Geschwindigkeit bringt.
Als ich in Ventspils am Molenkopf dieses gigantischen Schutzdammes vorbeifahre, winken mir die dort oben stehenden Menschen zu.
Als ich an diesem Schlepper vorbeifahre, winkt mir die Mannschaft oben auf der Brücke zu.
Als ich an diesem Fischdampfer vorbei fahre, kommt ein Matrose (?) heraus und winkt mir zu.
Leider habe ich meine Kamera immer erst danach auf diese Ereignisse richten können, wenn alles schon vorbei war. Man muss es mir deshalb einfach glauben.
Als ich an den Liegeplatz gehe und achtern die Leine an der Boje festhabe und mit der Leine mich möglichst so aufstoppe, dass ich vorne nicht gegen die Kaimauer bummse aber auch nicht zu früh aufstoppe, so dass ich die Kaimauer nicht mehr zu fassen kriege, um eine Leine festzumachen, steht dort schon der Hafenmeister und....na was wohl:? - winkt und nimmt die Leinen an. Um 13:00 bin ich fest.
Ich bin begeistert.
Zu den Bildern:
1 Sonnenaufgang (video-still)
2 ich begutachte die Segelstellung (video-still)
3 die Segelstellung ist gut (video-still)
4 das Kap, mein WP Let-06-WP
5 unter Segeln
6 endlich ein anderes Schiff (video-still)
7 im Cockpit; am Ruder Admiral von Schneider (video-still)
8 der Molenkopf von Ventspils
9 der Schlepper
10 der Fischdampfer
11 mein Liegeplatz in Ventspils
Zwanzig Santimu - mein erstes in Lettland verdientes Geld
Published on Juli 26th, 2011 @ 12:07:01 , using 213 words,
Zwanzig Santimu - mein erstes in Lettland verdientes Geld.
Als ich gestern meine lange Strandwanderung auf den Spuren von Odysseus gemacht hatte, schwirrte mir eine bestimmt Phrase eines Coltrane-Stückes immer wieder im Kopf herum.
Als ich wieder bei meiner MISS SOPHIE angekommen war, nahm ich mein Saxophon und ging zum Strand runter, setzte den Koffer auf einem Stein ab und ging mit dem Saxophon zum Wasser. Es waren fast keine Badenden da und ich fing an, diese Coltrane-Phrase zu finden. Ich probierte, verwarf, versuchte es auf die eine und die andere Weise, bis ich einen Modus gefunden hatte, den ich ganz schön fand.
Als ich wieder bei meinem Koffer angelangt war, dachte ich, ich guck nicht richtig: da lag ein 20 Santimus-Stück im Koffer.
Ich hatte den Koffer offengelassen, weil ich dachte, so ein bischen Sonne kann dem Samt nicht schaden und er lüftet dabei auch ein wenig. Aber damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet.
Gut. In Zukunft den Koffer zumachen. Handy raus, fotografiert. Der bleibt jetzt in dem Koffer bis an mein Lebensende.
Mein erstes mit dem Saxophon verdientes Geld.
Schwachwindig die nächsten Tage. Damit schaffe ich die 37 Seemeilen nach Ventspils nicht. Und danach soll er auf Nord, dann auf Ost drehen, also gegenan. Werd wohl noch ein bischenhierbleiben müssen. Nicht ungern.
Odyssee, Fünfter Gesang an den Gestaden Pavilosta
Published on Juli 25th, 2011 @ 14:51:17 , using 87 words,
"Aber Kalypso eilte zum großgesinnten Odysseus,
Als die heilige Nymphe Kronions Willen vernommen.
Dieser saß am Gestade des Meers und weinte beständig.
Ach! in Tränen verrann sein süßes Leben, voll Sehnsucht
Heimzukehren; denn lange nicht mehr gefiel ihm die Nymphe,
Sondern er ruhte des Nachts in ihrer gewölbeten Grotte
Ohne Liebe bei ihr; ihn zwang die liebende Göttin.
Aber des Tages saß er auf Felsen und sandigen Hügeln
Und zerquälte sein Herz mit Weinen und Seufzern und Jammern
Und durchschaute mit Tränen die große Wüste des Meeres."
Rundgang durch Pavilosta
Published on Juli 24th, 2011 @ 16:05:01 , using 412 words,
Verträumt empfinde ich dieses kleine 1000-Seelen-Dörfchen - aber unter diser Oberfläche tut sich hier eine Menge.
Einen Supermarkt, der auch Sonntags von 09:00 bis 22:00 Uhr geöffnet hat.
Und Kunst, wo man sie nicht vermuten würde.
Und eine Musikschule.
Und eine Kunstschule.
Ein Heimat-Museum, ein großes Kulturzentrum, in dem Theater gespielt wird, eine Bibliotek....ein wunderbares Restaurant, in dem es eine ganze Reihe von in der Kunstschule entstandenen Bildern von Kindern zu sehen gibt und es gibt eine ganze Reihe von Menschen, die dieses Pavilosta so lieb gewonnen haben, dass sie hier hergezogen sind: Ein Norweger, zwei Dänen, ein Holländer...
Und eine herrliche Ruhe im Hafen.
Der Hafenmeister, der hervorragend deutsch spricht, ist sehr rührig. Er hat mit einem Freund zusammen nach alten Fotos und Zeichnungen historischer Fischerboote gesucht und dann am Computer den Riss dieser Boote gezeichnet und die Spanten und die Klinkerung berechnen und zeichnen lassen und nach diesen Konstuktionszeichnungen dieses Schiff gebaut (letztes Bild), mit denen er Rundfahrten für Touristen auf dem Saka macht, so heißt dieser Fluss, an dessen Mündung Pavilosta liegt (unbeding machen).
Und es funktioniert blendend: Erst einmal ist es ein schönes Gefühl, auf so einem wunderschönen, nach historischen Vorbildern gebautem Schiff zu sitzen und dann hat es noch einen Elektromotor, so dass kein Geräusch die Ruhe dieser Flussfahrt stört.
Gerade kommt eine grosse Najad 370 rein. Die sind gerade aus Ventspils (nördlich von Pavilosta) gekommen. Sie erzählen, dass sie draussen unglaubliche Wellen gehabt haben, riesig, die in überhaupt keinem Verhältnis zu dem vorherrschenden Wind gestanden, der 5 Beaufort, vielleicht 6 war.
Ich erinnere mich, dass der Seewetterbericht für heute für alle umliegenden und vor allem südlichen Vorhersagegebiete Starkwind oder Sturm vorausgesagt hatte, in den südlicheren Gebieten 6 oder sogar 7 und bei Südwest hat der Wind bis hierher einen Fetch (Windwirkweg) von mindestens 400 Seemeilen, das ist mehr als in der Nordsee. Wir haben es hier an der polnisch-baltischen Küste mit Nordseeverhältnissen zu tun, die nicht zu vergleichen sind mit den Seeverhältnissen in der Dänische Ostsee, die mit ihren vielen Inseln und der von Buchten übersäten Küstenlinie nie solche Windwirkwege ermöglichst.
Also in Zukunft immer die Vorhersagegebiete mit einberechnen, die in der Windrichtung liegen, aus der der Wind kommt.
Zu den Bildern:
1 Seekanal
2 Liegeplatz für ca 10 Schiffe
3 Dorfstrasse
4 Kunst wo man es nicht vermutet
5 Kunst wo man es nicht vermutet
6 Strand
7 Strand morgens um 5 Uhr
8 der neue Radarturm - gute Ansteuerungsmarke bei Tag und bei Nacht
9 das heutige Heimatmuseum
10 Pavilosta 1929, mit dem Haus, das heute Heimatmuseum ist
11 historischer Nachbau vom Hafenmeister für Ausflugsfahrten auf dem Saka
Törnbericht: Rasantes Segeln nach Pavilosta
Published on Juli 23rd, 2011 @ 11:23:19 , using 1114 words,
Segeln wie ich es mir wünsche
Den ganzen Freitag hatte es im Grunde genommen geregnet – schade für das Rock-Festival, was mehr oder weniger im Freien draussen zwischen Strand und Park stattfindet, zu dem viele junge Leute mit kleinen Zelten gekommen sind, die um das Festival herum zelten.
Wind war mit SE bis SW 5-6, später dann mit 6 angegeben - auch nicht das, was ich mir mit Regenschauern durchwachsen unter schönem Segeln vorstelle.
Also lesen.
Am Samstag brachte ich mein mountainbike zurück – aber um 09:00 Uhr war dort kleiner. Kleine, gerade im Aufbau befindliche Firma „POPART“ - die wohl alle noch von dem Festivalbesuch ausschlafen, was lärmend bis morgens um 07:00 mich immer wieder aus dem Schlaf brachte, weil junge Leute, aufgeheizt durch die Musik, ihre ungebremste Power durch lautes Singen, Gestikulieren und ähnlichem auf dem Weg zu ihrem Hotel an den Stegen der Yachten vorbeitrieb.
Da der WindFinder SE bis SW 3-4 angekündigt hatte, der deutsche See-Wetterbericht später 5-6 vorhersagte, beides aber eher ablandig war, dachte ich, noch eine Nacht hier wegen Lärm nur unzureichend schlafen zu können, ist auch keine schöne Perspektive und wollte los. Sollte mein Mountainbike mich daran hindern? Ich hatte als Sicherheit meinen Pass hinterlassen.
Aber um 10:30 war jemand da, der Platten vorne war völlig ok und ich dachte, jetzt schnell los. 29 Seemeilen lang war der Weg und ich rechnete zwischen 5- 7 Stunden. Eigentlich habe ich lieber eine grössere zeitliche Sicherheitsreserve – aber es war nun mal so wie es war.
996 hPa, wir lagen mitten in einem grossen Tiefdruckgebiet und entsprechend sah der Himmel aus: riesige Stratocumuluswolken hatten sich über den ganzen Himmel verbreitet und waren Ausdruck der labilen Wettersituation: ein bischen Magengrummeln war schon da, aber ich dachte, da alle Prognosen die gleiche Windrichtung angaben, lediglich in der Stärke sich voneinander unterschieden, war das Risiko akzeptabel: Mein Kurs verlief Nord, ich würde den Wind immer achterlich haben und den Wind ablandig oder parallel zur Küste verlaufend, damit auch die Seen achterlich und nach dem Kap Akmenrags würde ich durch das Kap sogar in Lee der Seen kommen.
Also los: nur unter Fock komme ich um 11:30 los (lettische Zeit 12:30) und laufe 4 bis 5 kn. Prima. Der Wind ist warm, ich sitze nur mit meinem Pilotenoverall bekleidet in der Plicht, das Steuern verläuft intuitiv genau so wie mein Blick immer wieder zwischen Kompass, Windex, Kartenplotter und Segeln hin- und herschweift. Es gibt keine Landmarken - und ich lasse meine Gedanken schweifen.
Ab und zu einen Blick auf den Himmel in der ganzen Runde, ob sich dort gravierende Wolkenveränderungen zeigen – aber nichts der Gleichen passiert.
Es ist - schon wieder oder immernoch? - eine achterlich einkommende See vorhanden, ca. 1 Meter hoch, zwischendurch auch höher, die nicht durch diesen Wind erzeugt werden konnte. Sie muss aus anderen Gebieten stammen – was ja sehr gut möglich ist, denn das Vorhersagebebiet Zentrale Ostsee ist ein riesiges Gebiet, was sich von Schweden über Gotland bis nach Lettland und Litauen zieht und in seiner Breite 300 Seemeilen groß ist.
So geht eine Stunde nach der nächsten rum und dann entdecke ich endlich das Kap, was sich durch einen jetzt noch winzig kleinen Leuchtturm kennlich macht. Ich denke, na, da bin ich doch bald, denn ab 13:30 ging der Wind ohne Pause plötzlich auf SSW und legte zu und ich lief 5-6-7 kn. Ich rechne: 22 Seemeilen soll der Weg zwischen Liepaja und Pavilosta lang sein, bis zum Kap ist es vermutlich 3 sm kürzer, bei durchschnittlich 5 kn müsste ich in drei bis bis dreieinhalb Stunden am Kap sein. Wir haben 14:00 Uhr – also maximal noch eine Stunde.
Schön gedacht.
Ich war einer perspektivischen Täuschung erlegen - und ich hatte schlicht und einfach den Angaben im Prospekt von Pavilosta vertraut. Der Weg zwischen den beiden Häfen ist 29 und nicht 22 sm lang, wie der Prospekt angab und das vorspringende Kap erschien mir nur als ein vorspringendes Kap, weil ich parallel zur Küste lief und dann erscheint das, was man als ein Kap sieht, weil es einen Endpunkt in der Küstenformation darstellt, immer vorspringend, obwohl es in der gleichen Flucht liegt, wie der ganze Küstenstreifen, den ich hier entlang segle – im Abstand von ca 2-3 sm.
Um 15:00 geht der Wind zurück auf SSE und geht auf 6 hoch, halber Wind, ich laufe zwischen 6-7 kn und manchmal geht es sogar hoch auf 8,2 kn - die Seen sind wieder mächtig (?) geworden, 2 Meter, und die Lazyjacks fangen an zu singen, bei mir immer ein Zeichen von Windstärke 6.
Ich mache ein paar Fotos und Filme ein wenig, weil das Steuern intuitiv verläuft.
16:20 bin ich am Kap am virtuellen Wendepunkt, von wo an mein Kurs jetzt 30 Grad betragen wird, direkt auf den Seekanal von Pavilosta zu, das jetzt noch 6 sm entfernt ist – ca. eine bis anderthalb Stunden noch.
Die ganze See ist überzogen mit mit weissen Katzenfüsschen, hinter mir gischen die Wellenkämme hoch und sicherheitshalber mache ich ein zusätzliches Steckschot zu – man weiß ja nie.
Noch eine halbe Stunde segle ich durch dieses von Gischt erfüllte Kapgebiet, dann wird es ruhiger.
Je mehr ich in Lee des Kaps komme, desto ruhiger wird die See, aber auch der Wind kommt jetzt direkt von vorne – Ablenkung durch die veränderte Küstenlinie, die den Wind anscheinend bis zu 40 Grad ablenkt.
Dann entdecke ich Pavilosta, oder zumindest das, was ich für ein Zeichen dieses Hafens halte: einen grossen Gittermast, der für mich ein Zeichen für die Radaranlagen und Kommunikationsanlagen eines Hafens ist – und er liegt gebnau in Richtung meines Kurses.
Dann entdecke ich die beiden Molenköpfe – oder zumindest meine ich, dass sie das sein können, denn dies ist meist ein markantes Merkmal – und sie sind es.
Ich segle bis in die Einfahrt rein, übergebe Admiral von Schneider das Ruder und gehe nach vorn und hole die Fock runter. Inzwischen ist der Wind auf moderate 2-3 Windstärken runtergegangen und mit dem Anblick eines freundlichen, kleinen, verschwiegenen Hafens beende ich meinen heutigen Törn, an einem der 10 Liegeplätze als einziges ausländischen Schiff hier, der schöner nicht hätte sein können.
Ein freundlicher Coast-Control-Beamter erwartet mich, fragt nach Namen des Schiffes, letztem Hafen und zukünftigen Hafen und mit unserem reduzierten Englischkenntnissen fragt er mich, ob ich das erste Mal hier sei, wie ich sein Land finde, die Menschen hier und überhaupt und ich kann ganz ehrlich sagen, dass ich sehr angetan von den Menschen und dem Land hier bin – weniger von der Küste, die abwechselungsreicher sein könnte.
Diese Ort (1000 Einwohner) scheint etwas zu haben. In dem sehr modern und neu gebauten Restaurant find ich eine ganze Reihe alternativ aussehender Menschen, die in Französisch, Englisch, Deutsch miteinander sprechen, das Essen ist hervorragend und preislich sehr ok (gerillter Lachs in Weisweinsoße mit Beilagen für 6,20 LIV, etwa 7 EUR) und ich bin mit dem Tag sehr zufrieden.
Zu den Bildern:
1 Liepaja am fernen Horizont
2 unterwegs
3 unterwegs
4 Küste bei Pavilosta
Karosta - nicht ganz von dieser Welt
Published on Juli 21st, 2011 @ 15:30:15 , using 471 words,
Den gepriesenen Stadtteil Karosta wollte ich unbedingt kennnenlernen und deshalb lieh ich mir ein Mountainbike, weil er ca. 5 km vor der Stadt selbst als eigener Stadtteil liegt. Von den Sowjets gebaut für das militärische Personal und deren Angehörige der atomaren U-Bootflotte. Das erste Bild zeigt die Wohnblöcke, von denen es hier hunderte gibt, die zwischen Bäumen angesiedelt, ein riesiges Areal füllen. Fast alle scheinen noch bewohnt zu werden, nur einige wenige sind durch eingeworfene Fensterscheiben als aufgegeben gekennzeichnet. Es ist völlig ruhig hier, kein Radio brüllt, nur wenige Autos fahren hier, es gibt einen funktionierenden Busverkehr, die Stationen sind sauber und in gutem Zustand. Die Mädchen und jungen Frauen hier laufen genau so leicht bekleidet und allein gehend hier rum, wie in der City, ich sehe nirgend Müll, die Straßen und Wege sind gepflegt und ich habe keinen einzigen Moment mich hier unsicher gefühlt hätte. Ganz im Gegensatz zu Deutchland, wenn ich in Frankfurt oder Berlin in ähnliche Gegenden gekommen wäre.
Vor manchen dieser Wohnblöcke sind liebevoll gepflegte kleine Vorgärten, hier spielen Kinder in sauberer Kleidung, Jungs und Mädchen sind auf dem Weg zur Schule oder kommen von dort, nicht lärmend, sondern konzentriert oder mit Knopf im Ohr oder sich unterhaltend. Viele Balkons sind mit Blumen geschmückt.
Aber für diese Menge von Wohnraum sind hier wenig Menschen zu sehen. Merkwürdig.
In dem kleinen Laden, wo ich mir ein Frühstück zusammen stelle, ist es sehr gepflegt. Als ich mich auf eine Bank in einem der großzügigen Parks setze, kommt eine junge Frau mit Kinderwagen vorbei und setzt sich eine Bank weiter hin. Vorher aber reinigt sie die Bank mit einem Taschentuch, denn es hatte die Nacht Gewitter gegeben und die Bänke hatten davon noch die Folgen auf ihrem Holz. Wenig später kommen zwei Frauen mit den üblichen Neon-Westen vorbei, die dabei sind, die Wege vom Laub zu reinigen.
Ich fühle mich hier nicht von dieser Welt. Ich verstehe garnichts mehr.
Ja, und dann steht man plötzlich vor dieser Kirche.
Aber die Kunstszene konnte ich nicht finden, obwohl ich kreuz und quer durch das Gebiet geradelt bin. Sie scheint nur Insidern zugänglich zu sein. Dummerweise hatte ich keinen Reiseführer nicht mitgenommen, weil er so dick ist.
Nachtrag:
Heute habe ich einen Dänen kennen gelernt, der nun in Liepaja lebt und der sagte mir, Nachts würde er dort nicht alleine unterwegs sein. Kann ich nicht nachprüfen, gebe ich einfach mal so weiter.
Und für die Sauberkeit auf den Straßen und Wegen, die wirklich bewerkenswert ist, sorgen anscheinend für wenig Geld arbeitende Arbeitslose, denn es sind deren so viele, dass die nicht alle als Beamte untergekommen sein können. Der Hintergrund dafür könnte sein, dass es in Lettland keine sozialen Sicherungen gibt: keine Arbeit, kein Geld, betteln.
Gestern Abend bin ich noch durch die Rock-Cafe-Szene der Stadt gepilgert. Diese Stadt lebt wirklich von der Musikszene. Toll.
Liepaja - sightseeing
Published on Juli 20th, 2011 @ 11:45:57 , using 366 words,
Die W-Lan-Verbindung in der Marina funktioniert z.Z. nicht und hier in der Bibliothek kann der PC mein Open-Office-Dokument nicht oeffnen, weil er nur Word hat, deshalb ersteinmal nur die Bilder, der Text kommt dann morgen.
Liepaja ist eine quirlige Stadt, die vom Flair sehr viel Aehnlichkeit mit Berlin hat. Junge Leute praegen hier das Bild, in vielen Bars und Kneipen wird gute Rockmusik gespielt und es macht einfach Spass, in dieser Stadt zu sein, in der Modernes neben Verfallenden und liebevoll Restauriertem steht.
Morgen mehr.
Zu den Bildern:
Das erste ist mein Liegeplatz, dazwischen der Markt hinter der Markthalle und das letzte der berühmte Strand von Liepaja.
Alles Übrige ist zufällig beim Bummeln vor meine Kamera gekommen.
Und nun mein gestern nicht hochladbarer Text:
Liepaja (Libau)
Der Ort ist alt, bereits im 13. Jhdt. Wurde der Ort schon von Schiffen aus Rom, Byzanz, Konstantinopel, Schweden und Deutschland wegen seines Bernsteins angelaufen.
1253 von den deutschen Kreuzrittern erobert, begann ihre wechselhafte Geschichte. Mal schwedisch, dann russisch, französisch, dann wieder russisch. Der Hafen entstand 1697 nach 30-jähriger Bauzeit, weil es keine natürlich Flussmündung hier gab.
Während der letzten Teils des 19. Jhdts wurde Liepaja zum mondänen Badeort, der wegen seiner riesigen schneeweißen und feinen Sandstrand berühmt ist und wovon noch so manche Gründerzeitvilla erzählt.
Nach dem Krieg war der eisfreie Hafen der Hauptstützpunkt der russischen Atom-Uboot-Flotte, der ein eigener Hafen gebaut wurde und ein daran anschließender eigener Stadtteil und die Stadt wurde damit zur verbotenen Zone, in die man nur mit Sondergenehmigungen kam.
Nach der Freiheit hat die Stadt aus dieser Last ein ungewöhnliches Kapital geschlagen: der aufgegebene Stadtteil Kavosta wurde zum quirligen Zentrum einer eigenwilligen Kultur- und Kunst- und Musikszene und wird und ist schon eine ganz besondere Touristenattraktion mit sehr ungewöhnlichen Abngeboten: ein Gefängnis mit Live-Show und dem Angebot, eine Nacht als Gefangener zu erleben - mit allem drum und dran: Nachts aus dem Bett geholt zum Verhör etc. (sagt mein Reiseführer)
Noch in keiner Stadt habe ich so gerne Architektur fotografiert wie hier: man merkt überall die Kraft, die in dieser Stadt lebt, dass diese Stadt lebendig ist, dass hier Kontraste gelebt werden, dass hier was passiert.
Über den Stadtteil Kavosta werde ich noch schreiben.
Törnbericht: Mit der Sturmfock nach Liepaja - Hauptstadt des Baltischen Rock
Published on Juli 18th, 2011 @ 11:57:47 , using 1251 words,
Auf nach Liepaja – mit Überraschung
Die Windvorhersage war prima: Bis 12:00 Uhr Mittags SE 4-5, danach SW 4-5 und Spätnachmittag bis Abend SE 4 – der WindFinder sagte für den späteren Tag W 3-4 voraus, Wellenhöhe bis 2 Meter. Also los nach Liepaja, eine Strecke von 75 Seemeilen, wofür ich zwischen 12 und 17 Stunden rechne.
Morgens wolkenloser Himmel; leider ist das WC von innen verriegelt (?) und es dauert eine Stunde, bis der Servicemann dieses wieder zugänglich gemacht hat. Ich komme also erst um 07:00 los, wollte eigentlich schon um o6:00 los.
SSE 5, MISS SOPHIE schiebt nur unter Fock, mit direkt achterlichen Wind bei einem Kurs von 350 Grad, mit 5-6 kn durch die See und es verspricht endlich ein Segeln, wie man es sich wünscht.
Eine Weile begleitet mich in Lee dicht unter der Strandküste ein großer anderer Segler, den ich aber bald aus den Augen verliere und ich sehe mal wieder kein einziges Schiff am Horiziont.
11:30 kreuze ich den Dampferweg nach Butinge Oil Terminal und sehe zwei Grossschiffe auf diesem Weg – aber weit weg.
Jede Stunde knabber ich ein Knäckebrot und nehme einen kleinen Schluck aus der Ernergy-Drink-Flasche – nicht zuviel, weil bei dem Kurs vor dem Wind kann ich die Pinne nicht verlassen und bei mehr Wind und anderen Kursen ebenfalls nicht. Deshalb wenig trinken, um Pinkelpausen zu vermeiden.
Um 13:30 fährt eine gewaltige Böe in die Fock, legt MISS SOPHIE auf die Seite und lässt sie in den Wind schiessen – ohne meteologische Vorwarnung – einfach so, aus heiterem Himmel. Dann ist der Wind auf WSW, Beaufort 4-5.
Um 14:30 bin ich am Sperrgebiet, das dort in meiner Karte eingezeichnet ist und an dessen westlichem Rand ich meine Kursänderung jetzt direkt auf Liepaja mit 20 Grad vornehme. Jetzt habe ich , weil ich 20 Grad vorhalten muss wegen der Abdrift, einen leicht vorlichen Wind, weil ich Nord steuere.
Bis 16:00 Uhr hat der Wind beständig zugenommen und als ich mich einmal, weil ich etwas aus der Kajüte greifen muss, versteuere und die Fock back schlägt, sehe ich, dass bei dem wild um sich schlagenden Segel die oberen Stagreiter sich vom Vorstag gelöst haben. Also nach vorn, Fock runter.
Inzwischen hat sich ein Seegang von 2 Metern aufgebaut. Meine Augenhöhe sitzend an der Pinne ist 1,50 Meter, wenn MISS SOPHIE sich auf die Backe legt, komme ich noch einmal 50 Zentimeter höher, also 2 Meter. Wenn ich dann Wellen seitlich sehe, die die Horizontlinie übersteigen, dann haben die 2 Meter.
Also: Schwimmweste und Sicherheitsgurt an? Ja, denn MISS SOPHIE rollt bei den seitlich anrollenden Wellen bis zu 40 Grad in beide Seiten. Das behindert mich zwar ein wenig, scheint mir aber sinnvoll zu sein, denn dann kann ich mich mehr mit dem Bergen der Fock beschäftigen und muss nicht beständig den Seegang im Auge behalten.
Ich muss mich mit meinem Körper auf die Fock werfen, damit ich sie bändigen und bänseln kann.
Als ich hinten wieder im Cockpitt bin, hole ich meinen Windmesser (mechanisch von der DAVEY INSTRUMENT COMPANY, Essex, England) und der zeigt mir 20 – 27 kn in 2m Höhe (Wind wird eigentlich in 10 Meter Höhe gemessen, da ist er mindestens noch 1 Beaufort mehr), das sind 6-7 Beaufort – aber halber Wind.
Ich überlege. Ich habe nicht herausbekommen, wie das passieren konnte, dass sich die Stagreiter im ganzen oberen Bereich vom Stag lösen konnten. (Inzwischen weiß ich es: ich fahre Doppelstage vorne. Bei sehr hohem Winddruck biegt sich das belastete Stag soweit durch, dass es direkt neben dem unbelasteten kommt: jetzt kann sich das unbelastete Stag hinter die Stagreiter setzen und wenn sich die beiden Stage voneinander wieder in einer Böe lösen, können dadurch die Stagreiter, weil sie an dem Stag hinten hängenbleiben öffnen und sich vom Stag lösen).
Da der Wind eh zuzunehmen scheint, hole ich die Sturmfock raus und setze sie. Jetzt laufen wir nur noch 3-4 kn, wir haben noch 16 Seemeilen vor uns und ich habe die Befürchtung, dass der Wind noch ein wenig nördlicher einkommen könnte, wie er das die Tage vorher auch schon gemacht hat und ich möchte jetzt möglichst schnell in den Hafen, weil das Wetter sich hier eh nicht an die Prognosen zu halten scheint. Als lasse ich den Diesel mit 1000 Umdrehungen mitlaufen und sichere damit 5 kn. Es wird jetzt über Stunden ein elendes Geschaukel, weil jede seitlich einkommende Welle MISS SOPHIE mit 40 Grad auf die Seite legt, dann pendelt sie zurück auf 30 Grad der anderen Seite und so wird das die nächsten 4 Stunden auch bleiben.
Tut es auch. Aber der Wind bleibt konstant auf W und das beruhigt mich zunehmens.
Aber die Hafeneinfahrten öffnen sich bei Liepaja nach West, dahin, woher der Wind kommt. Und im Hafenhandbuch wird vor den Grundseen gewarnt, die dort entstehen können, zumindest ab Wellenhöhen von 3 Metern. Aber weiß ich, wie hoch die in vier Stunden sein werden?
Ich funke über UKW Port Control Liepaja an, schildere ihnen, dass ich ein Segelboot sei, eher klein, wo mein jetziger Standort ist und frage sie, „will it be a risk, to enter your harbour by this waves?“. Sie beordern mich auf Kanal 11, ich wiederhole dort noch einmal meine Frage und sie antworten, ich solle sie noch einmal anrufen, wenn ich vor dem Hafen stehe. Später erweist sich dies als klug und umsichtig.
Also weiter rollen auf Steuerbordseite, dann zurück nach Backbord und so weiter und so fort - Welle für Welle, bis ans Ende der Welt.
Um 20:00 Uhr haben die Wellen ihren Biss verloren, weil der Wind seit 18:00 Uhr beständig abgenommen hat und jetzt bei W 2-3 angekommen ist – selbst für die Fock wäre das zu wenig gewesen und ich hätte das Grosssegel dazu nehmen müssen.
Ich habe dazu keine Lust, weil ich dafür wieder die Sturmfock abschlagen müsste, die unsichere Fock setzen müsste und dazu auch noch das Groß – ich lasse es wie es ist, denn es ist eh nur noch eine Stunde, dann bin ich da.
Dort vor der Hafeneinmündung, die zwei Öffnungen hat, eine westliche und eine südliche, bin ich sehr verunsichert, denn beide öffnen sich nach Karte nach West, ich komme von Süden und finde sie zu mir geöffnet vor. Bin ich hier richtig? Nachschlagen bei Jörn Heinrich. Öffnung nach West. Die Seekarte sagt das Gleiche. Mein Kartenplotter zeigt mir die Öffnung nach Südwest. Ich kontrolliere noch einmal den Waypoint in der Hafeneinfahrt: Die Koordinaten stimmen – ganz vorsichtig schleiche ich mich in die Einfahrt – aber es ist sie und dann bin ich um 20:30 drin.
Um 21:00, nach 16 Stunden ununterbrochen an der Pinne, mache ich bei Liepaja Yacht Center am Ende des südlichen Hafens fest, werde dort schon von einem Mitarbeiter auf einen Liegeplatz verwiesen, er nimmt meine Leinen an, zeigt mir hervorragende sanitäre Anlagen, es gibt W-Lan und alles ist bestens.
Nur die nahe viel befahrene Brücke und die Nähe der Stadt bringen eine Geräuschkulisse mit, die ich nicht unbedingt gewünscht habe.
Seglerisch bin ich nicht ganz zufrieden mit mir: Statt zu motoren hätte ich den Rest auch unter Segel schaffen können. OK, nächsten Mal.
Nudeln, 2 Bier, ein paar Rum zum Abschluss und dazu dir Hörfassung von „Rausch“ von John Griesemer, CD 4-5. Um 01:00 dann zur Koje.
Bei den gehörigen Bewegungen von MISS SOPHIE auf diesem Törn muss das Pasta-Glas unten im Bilge-Kühlschrank, obwohl dort eingeklemmt – einen Salto vollzogen haben. Denn es steht jetzt dort auf dem Deckel.
Ansonsten ist alles dort geblieben, wo es hingehört – nur die Bücher im vorderen Bücheregal müssen noch etwas seefester gelascht werden.
zu den Bildern:
Bild eins und zwei unter Segeln, zwei zeigt ein bischen die Wellenhöhe, denn diese Welle verdeckt die Horizontlinie.
Bild drei zeigt den Himmel nach dem Starkwind
Bild vier die Abendstimmung im Hafen von Liepaja
Blick aus dem Fenster des Hauses von Thomas Mann in Neda (Nidda)
Published on Juli 16th, 2011 @ 18:22:53 , using 472 words,
Angesagt waren ja SW 3, wir hatten aber WSW 5 (6), also Ausflug nach Neda, dem Sylt Litauens.
Und das war es auch. Kein Ramsch war hier zu finden, sondern hochwertige Kunsthandwerkprodukte und Boutiquen. Und die Häuser im traditionellen Stil Litauens und der Kurischen Nehrung.
Hier kam Thomas Mann auf Empfehlung 1929 zu einem Sommerurlaub und es gefiel ihnen so gut hier, dass sie entschieden, hier ein Sommerhaus zu bauen.
Mit dem Geld des Ende 1929 an ihn vergebenen Literaturnobelpreises wurde das Pojekt innerhalb eines Jahres realisiert und die beiden nächsten Jahre verbrachten sie hier die Sommermonate, in denen Thomas Mann an seiner Joseph-Tetralogie gearbeitet hat. Der Blick aus dem Fenster ist der Blick, den er aus seinem Arbeitszimmer hatte.
Die Große Düne im Nord-Westen des Dorfes Neda, eine Wanderdüne, ist inzwischen mit Bewuchs versehen und in ihrer Bewegung gestoppt. Aber der Wind trägt sie langsam ab.
Vor allem durch die Häuser und die Landschaft, in die sie eingebettet sind, hat die Gegend hier einen zauberhaften Reiz.
Wir überlegen: Essen gehen? Dort, wo wir unser Frühstück, Spiegeleier mit Schinken und anderen leckeren Sachen eingenommen hatten, sah es gut aus, der Tee war hervorragend und es wurde fast nur von Einheimischen bevölkert - immer ein gutes Zeichen.
Da wir aber vorher einen Fischladen ausfindig gemacht hatten, entschieden wir uns für ein Picknick direkt am Haff, kaufen geräucherten Fisch ein und Brot, Saft, Bier und setzen uns auf eine Bank. Die nette Fischverkäuferin hat uns ausreichend Servietten und dazu auch noch Plastikbesteck mitgegeben.
Dann machen wir uns auf den Weg zur Busstation, wo wir für 10 Lit, das sind 3 EUR, eine Stunde Fahrt vor uns haben und dann mit der Fähre in unseren Hafen gelangen.
Arne, der die ganze Zeit einen 20-Kilo-Rucksack auf seinem Rücken mitgeschleppt hatte, in der ein Paragleider steckte, mit dem er hier an der Steilküste zur Ostsee eiegtnlich fliegen wollte, wegen dem starken Wind dies aber leider ungescheheen lassen musste, ist kaputt und geht in die Koje. Ich suche noch mein Internetcafe auf, schreibe meinen Blog und stelle fest, das in der Nachbarkneipe Lifemusik ist und trinke dort noch ein paar Bier.
Am nächsten Tag gweht Arne zurück nach Klaipeda und ich warte noch auf den Süd, der für den nächsten Tag vorausgesagt wurde.
Da sich das Yachtcenter zu meinen Gunsten in der Abrechnung verrechnet hatte, habe ich noch 40 LIT und die setze ich im CACADU, dem Restaurant hier am Yacht-Center, in Schwarzbier um und in eine Spezialität der Baltischen Länder: in Olivenöl geröstete dünne Brotstreifen (wie Pommes) mit frischem ausgedrückten Knoblauch bestreut. Eigentlich ein Starter, wo ein solcher Teller gut vier Personen auf das kommende Essen einstimmen kann - aber für eine Person eine leckere Malzeit.
Zu den Bildern:
1 Blick aus dem Fenster des Arbeitszimmers Thomas Manns
2 Haus der Manns in Neda
3 die große Düne in Neda
4 Blick aufs Haff
5 Haus in Neda
6 Ostsee-Strand bei Neda
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