Tagebuch der Miss Sophie

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Törnbericht: Rasantes Segeln nach Pavilosta

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Published on Juli 23rd, 2011 @ 11:23:19 , using 1114 words,
Törnbericht: Rasantes Segeln nach Pavilosta
Törnbericht: Rasantes Segeln nach Pavilosta
Törnbericht: Rasantes Segeln nach Pavilosta
Törnbericht: Rasantes Segeln nach Pavilosta

 

Segeln wie ich es mir wünsche


Den ganzen Freitag hatte es im Grunde genommen geregnet – schade für das Rock-Festival, was mehr oder weniger im Freien draussen zwischen Strand und Park stattfindet, zu dem viele junge Leute mit kleinen Zelten gekommen sind, die um das Festival herum zelten.


Wind war mit SE bis SW 5-6, später dann mit 6 angegeben - auch nicht das, was ich mir mit Regenschauern durchwachsen unter schönem Segeln vorstelle.

Also lesen.


Am Samstag brachte ich mein mountainbike zurück – aber um 09:00 Uhr war dort kleiner. Kleine, gerade im Aufbau befindliche Firma „POPART“ - die wohl alle noch von dem Festivalbesuch ausschlafen, was lärmend bis morgens um 07:00 mich immer wieder aus dem Schlaf brachte, weil junge Leute, aufgeheizt durch die Musik, ihre ungebremste Power durch lautes Singen, Gestikulieren und ähnlichem auf dem Weg zu ihrem Hotel an den Stegen der Yachten vorbeitrieb.


Da der WindFinder SE bis SW 3-4 angekündigt hatte, der deutsche See-Wetterbericht später 5-6 vorhersagte, beides aber eher ablandig war, dachte ich, noch eine Nacht hier wegen Lärm nur unzureichend schlafen zu können, ist auch keine schöne Perspektive und wollte los. Sollte mein Mountainbike mich daran hindern? Ich hatte als Sicherheit meinen Pass hinterlassen.

Aber um 10:30 war jemand da, der Platten vorne war völlig ok und ich dachte, jetzt schnell los. 29 Seemeilen lang war der Weg und ich rechnete zwischen 5- 7 Stunden. Eigentlich habe ich lieber eine grössere zeitliche Sicherheitsreserve – aber es war nun mal so wie es war.


996 hPa, wir lagen mitten in einem grossen Tiefdruckgebiet und entsprechend sah der Himmel aus: riesige Stratocumuluswolken hatten sich über den ganzen Himmel verbreitet und waren Ausdruck der labilen Wettersituation: ein bischen Magengrummeln war schon da, aber ich dachte, da alle Prognosen die gleiche Windrichtung angaben, lediglich in der Stärke sich voneinander unterschieden, war das Risiko akzeptabel: Mein Kurs verlief Nord, ich würde den Wind immer achterlich haben und den Wind ablandig oder parallel zur Küste verlaufend, damit auch die Seen achterlich und nach dem Kap Akmenrags würde ich durch das Kap sogar in Lee der Seen kommen.


Also los: nur unter Fock komme ich um 11:30 los (lettische Zeit 12:30) und laufe 4 bis 5 kn. Prima. Der Wind ist warm, ich sitze nur mit meinem Pilotenoverall bekleidet in der Plicht, das Steuern verläuft intuitiv genau so wie mein Blick immer wieder zwischen Kompass, Windex, Kartenplotter und Segeln hin- und herschweift. Es gibt keine Landmarken - und ich lasse meine Gedanken schweifen.


Ab und zu einen Blick auf den Himmel in der ganzen Runde, ob sich dort gravierende Wolkenveränderungen zeigen – aber nichts der Gleichen passiert.


Es ist - schon wieder oder immernoch? - eine achterlich einkommende See vorhanden, ca. 1 Meter hoch, zwischendurch auch höher, die nicht durch diesen Wind erzeugt werden konnte. Sie muss aus anderen Gebieten stammen – was ja sehr gut möglich ist, denn das Vorhersagebebiet Zentrale Ostsee ist ein riesiges Gebiet, was sich von Schweden über Gotland bis nach Lettland und Litauen zieht und in seiner Breite 300 Seemeilen groß ist.


So geht eine Stunde nach der nächsten rum und dann entdecke ich endlich das Kap, was sich durch einen jetzt noch winzig kleinen Leuchtturm kennlich macht. Ich denke, na, da bin ich doch bald, denn ab 13:30 ging der Wind ohne Pause plötzlich auf SSW und legte zu und ich lief 5-6-7 kn. Ich rechne: 22 Seemeilen soll der Weg zwischen Liepaja und Pavilosta lang sein, bis zum Kap ist es vermutlich 3 sm kürzer, bei durchschnittlich 5 kn müsste ich in drei bis bis dreieinhalb Stunden am Kap sein. Wir haben 14:00 Uhr – also maximal noch eine Stunde.


Schön gedacht.

Ich war einer perspektivischen Täuschung erlegen - und ich hatte schlicht und einfach den Angaben im Prospekt von Pavilosta vertraut. Der Weg zwischen den beiden Häfen ist 29 und nicht 22 sm lang, wie der Prospekt angab und das vorspringende Kap erschien mir nur als ein vorspringendes Kap, weil ich parallel zur Küste lief und dann erscheint das, was man als ein Kap sieht, weil es einen Endpunkt in der Küstenformation darstellt, immer vorspringend, obwohl es in der gleichen Flucht liegt, wie der ganze Küstenstreifen, den ich hier entlang segle – im Abstand von ca 2-3 sm.


Um 15:00 geht der Wind zurück auf SSE und geht auf 6 hoch, halber Wind, ich laufe zwischen 6-7 kn und manchmal geht es sogar hoch auf 8,2 kn - die Seen sind wieder mächtig (?) geworden, 2 Meter, und die Lazyjacks fangen an zu singen, bei mir immer ein Zeichen von Windstärke 6.

Ich mache ein paar Fotos und Filme ein wenig, weil das Steuern intuitiv verläuft.


16:20 bin ich am Kap am virtuellen Wendepunkt, von wo an mein Kurs jetzt 30 Grad betragen wird, direkt auf den Seekanal von Pavilosta zu, das jetzt noch 6 sm entfernt ist – ca. eine bis anderthalb Stunden noch.


Die ganze See ist überzogen mit mit weissen Katzenfüsschen, hinter mir gischen die Wellenkämme hoch und sicherheitshalber mache ich ein zusätzliches Steckschot zu – man weiß ja nie.


Noch eine halbe Stunde segle ich durch dieses von Gischt erfüllte Kapgebiet, dann wird es ruhiger.

Je mehr ich in Lee des Kaps komme, desto ruhiger wird die See, aber auch der Wind kommt jetzt direkt von vorne – Ablenkung durch die veränderte Küstenlinie, die den Wind anscheinend bis zu 40 Grad ablenkt.


Dann entdecke ich Pavilosta, oder zumindest das, was ich für ein Zeichen dieses Hafens halte: einen grossen Gittermast, der für mich ein Zeichen für die Radaranlagen und Kommunikationsanlagen eines Hafens ist – und er liegt gebnau in Richtung meines Kurses.


Dann entdecke ich die beiden Molenköpfe – oder zumindest meine ich, dass sie das sein können, denn dies ist meist ein markantes Merkmal – und sie sind es.

Ich segle bis in die Einfahrt rein, übergebe Admiral von Schneider das Ruder und gehe nach vorn und hole die Fock runter. Inzwischen ist der Wind auf moderate 2-3 Windstärken runtergegangen und mit dem Anblick eines freundlichen, kleinen, verschwiegenen Hafens beende ich meinen heutigen Törn, an einem der 10 Liegeplätze als einziges ausländischen Schiff hier, der schöner nicht hätte sein können.


Ein freundlicher Coast-Control-Beamter erwartet mich, fragt nach Namen des Schiffes, letztem Hafen und zukünftigen Hafen und mit unserem reduzierten Englischkenntnissen fragt er mich, ob ich das erste Mal hier sei, wie ich sein Land finde, die Menschen hier und überhaupt und ich kann ganz ehrlich sagen, dass ich sehr angetan von den Menschen und dem Land hier bin – weniger von der Küste, die abwechselungsreicher sein könnte.


Diese Ort (1000 Einwohner) scheint etwas zu haben. In dem sehr modern und neu gebauten Restaurant find ich eine ganze Reihe alternativ aussehender Menschen, die in Französisch, Englisch, Deutsch miteinander sprechen, das Essen ist hervorragend und preislich sehr ok (gerillter Lachs in Weisweinsoße mit Beilagen für 6,20 LIV, etwa 7 EUR) und ich bin mit dem Tag sehr zufrieden.

Zu den Bildern:

1 Liepaja am fernen Horizont

2 unterwegs

3 unterwegs

4 Küste bei Pavilosta

Karosta - nicht ganz von dieser Welt

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Published on Juli 21st, 2011 @ 15:30:15 , using 471 words,
Karosta - nicht ganz von dieser Welt
Karosta - nicht ganz von dieser Welt

Den gepriesenen Stadtteil Karosta wollte ich unbedingt kennnenlernen und deshalb lieh ich mir ein Mountainbike, weil er ca. 5 km vor der Stadt selbst als eigener Stadtteil liegt. Von den Sowjets gebaut für das militärische Personal und deren Angehörige der atomaren U-Bootflotte. Das erste Bild zeigt die Wohnblöcke, von denen  es hier hunderte gibt, die zwischen Bäumen angesiedelt, ein riesiges Areal füllen. Fast alle scheinen noch bewohnt zu werden, nur einige wenige sind durch eingeworfene Fensterscheiben als aufgegeben gekennzeichnet. Es ist völlig ruhig hier, kein Radio brüllt, nur wenige Autos fahren hier, es gibt einen funktionierenden Busverkehr, die Stationen sind sauber und in gutem Zustand. Die Mädchen und jungen Frauen hier laufen genau  so leicht bekleidet und allein gehend hier rum, wie in der City, ich sehe nirgend Müll, die Straßen und Wege sind gepflegt und ich habe keinen einzigen Moment mich hier unsicher gefühlt hätte. Ganz im Gegensatz zu Deutchland, wenn ich in Frankfurt oder Berlin in ähnliche Gegenden gekommen wäre.

Vor manchen dieser Wohnblöcke sind liebevoll gepflegte kleine Vorgärten, hier spielen Kinder in sauberer Kleidung, Jungs und Mädchen sind auf dem Weg zur Schule oder kommen von dort, nicht lärmend, sondern konzentriert oder mit Knopf im Ohr oder sich unterhaltend. Viele Balkons sind mit Blumen geschmückt.

Aber für diese Menge von Wohnraum sind hier wenig Menschen zu sehen. Merkwürdig.

In dem kleinen Laden, wo ich mir ein Frühstück zusammen stelle, ist es sehr gepflegt. Als ich mich auf eine Bank in einem der großzügigen Parks setze, kommt eine junge Frau mit Kinderwagen vorbei und setzt sich eine Bank weiter hin. Vorher aber reinigt sie die Bank mit einem Taschentuch, denn es hatte die Nacht Gewitter gegeben und die Bänke hatten davon noch die Folgen auf ihrem Holz. Wenig später kommen zwei Frauen mit den üblichen Neon-Westen vorbei, die dabei sind, die Wege vom Laub zu reinigen.

Ich fühle mich hier nicht von dieser Welt. Ich verstehe garnichts mehr.

Ja, und dann steht man plötzlich vor dieser Kirche.

Aber die Kunstszene konnte ich nicht finden, obwohl ich kreuz und quer durch das Gebiet geradelt bin. Sie scheint nur Insidern zugänglich zu sein. Dummerweise hatte ich keinen Reiseführer nicht mitgenommen, weil er so dick ist.

Nachtrag:

Heute habe ich einen Dänen kennen gelernt, der nun in Liepaja lebt und der sagte mir, Nachts würde er dort nicht alleine unterwegs sein. Kann ich nicht nachprüfen, gebe ich einfach mal so weiter.

Und für die Sauberkeit auf den Straßen und Wegen, die wirklich bewerkenswert ist, sorgen anscheinend für wenig Geld arbeitende Arbeitslose, denn es sind deren so viele, dass die nicht alle als Beamte untergekommen sein können. Der Hintergrund dafür könnte sein, dass es in Lettland keine sozialen Sicherungen gibt: keine Arbeit, kein Geld, betteln.

Gestern Abend bin ich noch durch die Rock-Cafe-Szene der Stadt gepilgert. Diese Stadt lebt wirklich von der Musikszene. Toll.



Liepaja - sightseeing

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Published on Juli 20th, 2011 @ 11:45:57 , using 366 words,
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing
Liepaja - sightseeing

Die W-Lan-Verbindung in der Marina funktioniert z.Z. nicht und hier in der Bibliothek kann der PC mein Open-Office-Dokument nicht oeffnen, weil er nur Word hat, deshalb ersteinmal nur die Bilder, der Text kommt dann morgen.

Liepaja ist eine quirlige Stadt, die vom Flair sehr viel Aehnlichkeit mit Berlin hat. Junge Leute praegen hier das Bild, in vielen Bars und Kneipen wird gute Rockmusik gespielt und es macht einfach Spass, in dieser Stadt zu sein, in der Modernes neben Verfallenden und liebevoll Restauriertem steht.

Morgen mehr.

Zu den Bildern:

Das erste ist mein Liegeplatz, dazwischen der Markt hinter der Markthalle und das letzte der berühmte Strand von Liepaja.

Alles Übrige ist zufällig beim Bummeln vor meine Kamera gekommen.

 

Und nun mein gestern nicht hochladbarer Text:


 

Liepaja (Libau)


Der Ort ist alt, bereits im 13. Jhdt. Wurde der Ort schon von Schiffen aus Rom, Byzanz, Konstantinopel, Schweden und Deutschland wegen seines Bernsteins angelaufen.

1253 von den deutschen Kreuzrittern erobert, begann ihre wechselhafte Geschichte. Mal schwedisch, dann russisch, französisch, dann wieder russisch. Der Hafen entstand 1697 nach 30-jähriger Bauzeit, weil es keine natürlich Flussmündung hier gab.

Während der letzten Teils des 19. Jhdts wurde Liepaja zum mondänen Badeort, der wegen seiner riesigen schneeweißen und feinen Sandstrand berühmt ist und wovon noch so manche Gründerzeitvilla erzählt.

 

Nach dem Krieg war der eisfreie Hafen der Hauptstützpunkt der russischen Atom-Uboot-Flotte, der ein eigener Hafen gebaut wurde und ein daran anschließender eigener Stadtteil und die Stadt wurde damit zur verbotenen Zone, in die man nur mit Sondergenehmigungen kam.


Nach der Freiheit hat die Stadt aus dieser Last ein ungewöhnliches Kapital geschlagen: der aufgegebene Stadtteil Kavosta wurde zum quirligen Zentrum einer eigenwilligen Kultur- und Kunst- und Musikszene und wird und ist schon eine ganz besondere Touristenattraktion mit sehr ungewöhnlichen Abngeboten: ein Gefängnis mit Live-Show und dem Angebot, eine Nacht als Gefangener zu erleben - mit allem drum und dran: Nachts aus dem Bett geholt zum Verhör etc. (sagt mein Reiseführer)


Noch in keiner Stadt habe ich so gerne Architektur fotografiert wie hier: man merkt überall die Kraft, die in dieser Stadt lebt, dass diese Stadt lebendig ist, dass hier Kontraste gelebt werden, dass hier was passiert.

Über den Stadtteil Kavosta werde ich noch schreiben.

 

 

Törnbericht: Mit der Sturmfock nach Liepaja - Hauptstadt des Baltischen Rock

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Published on Juli 18th, 2011 @ 11:57:47 , using 1251 words,
Törnbericht: Mit der Sturmfock nach Liepaja - Hauptstadt des Baltischen Rock
Törnbericht: Mit der Sturmfock nach Liepaja - Hauptstadt des Baltischen Rock
Törnbericht: Mit der Sturmfock nach Liepaja - Hauptstadt des Baltischen Rock
Törnbericht: Mit der Sturmfock nach Liepaja - Hauptstadt des Baltischen Rock

 

Auf nach Liepaja – mit Überraschung


Die Windvorhersage war prima: Bis 12:00 Uhr Mittags SE 4-5, danach SW 4-5 und Spätnachmittag bis Abend SE 4 – der WindFinder sagte für den späteren Tag W 3-4 voraus, Wellenhöhe bis 2 Meter. Also los nach Liepaja, eine Strecke von 75 Seemeilen, wofür ich zwischen 12 und 17 Stunden rechne.


Morgens wolkenloser Himmel; leider ist das WC von innen verriegelt (?) und es dauert eine Stunde, bis der Servicemann dieses wieder zugänglich gemacht hat. Ich komme also erst um 07:00 los, wollte eigentlich schon um o6:00 los.


SSE 5, MISS SOPHIE schiebt nur unter Fock, mit direkt achterlichen Wind bei einem Kurs von 350 Grad, mit 5-6 kn durch die See und es verspricht endlich ein Segeln, wie man es sich wünscht.


Eine Weile begleitet mich in Lee dicht unter der Strandküste ein großer anderer Segler, den ich aber bald aus den Augen verliere und ich sehe mal wieder kein einziges Schiff am Horiziont.


11:30 kreuze ich den Dampferweg nach Butinge Oil Terminal und sehe zwei Grossschiffe auf diesem Weg – aber weit weg.


Jede Stunde knabber ich ein Knäckebrot und nehme einen kleinen Schluck aus der Ernergy-Drink-Flasche – nicht zuviel, weil bei dem Kurs vor dem Wind kann ich die Pinne nicht verlassen und bei mehr Wind und anderen Kursen ebenfalls nicht. Deshalb wenig trinken, um Pinkelpausen zu vermeiden.


Um 13:30 fährt eine gewaltige Böe in die Fock, legt MISS SOPHIE auf die Seite und lässt sie in den Wind schiessen – ohne meteologische Vorwarnung – einfach so, aus heiterem Himmel. Dann ist der Wind auf WSW, Beaufort 4-5.


Um 14:30 bin ich am Sperrgebiet, das dort in meiner Karte eingezeichnet ist und an dessen westlichem Rand ich meine Kursänderung jetzt direkt auf Liepaja mit 20 Grad vornehme. Jetzt habe ich , weil ich 20 Grad vorhalten muss wegen der Abdrift, einen leicht vorlichen Wind, weil ich Nord steuere.


Bis 16:00 Uhr hat der Wind beständig zugenommen und als ich mich einmal, weil ich etwas aus der Kajüte greifen muss, versteuere und die Fock back schlägt, sehe ich, dass bei dem wild um sich schlagenden Segel die oberen Stagreiter sich vom Vorstag gelöst haben. Also nach vorn, Fock runter.

Inzwischen hat sich ein Seegang von 2 Metern aufgebaut. Meine Augenhöhe sitzend an der Pinne ist 1,50 Meter, wenn MISS SOPHIE sich auf die Backe legt, komme ich noch einmal 50 Zentimeter höher, also 2 Meter. Wenn ich dann Wellen seitlich sehe, die die Horizontlinie übersteigen, dann haben die 2 Meter.


Also: Schwimmweste und Sicherheitsgurt an? Ja, denn MISS SOPHIE rollt bei den seitlich anrollenden Wellen bis zu 40 Grad in beide Seiten. Das behindert mich zwar ein wenig, scheint mir aber sinnvoll zu sein, denn dann kann ich mich mehr mit dem Bergen der Fock beschäftigen und muss nicht beständig den Seegang im Auge behalten.


Ich muss mich mit meinem Körper auf die Fock werfen, damit ich sie bändigen und bänseln kann.


Als ich hinten wieder im Cockpitt bin, hole ich meinen Windmesser (mechanisch von der DAVEY INSTRUMENT COMPANY, Essex, England) und der zeigt mir 20 – 27 kn in 2m Höhe (Wind wird eigentlich in 10 Meter Höhe gemessen, da ist er mindestens noch 1 Beaufort mehr), das sind 6-7 Beaufort – aber halber Wind.


Ich überlege. Ich habe nicht herausbekommen, wie das passieren konnte, dass sich die Stagreiter im ganzen oberen Bereich vom Stag lösen konnten. (Inzwischen weiß ich es: ich fahre Doppelstage vorne. Bei sehr hohem Winddruck biegt sich das belastete Stag soweit durch, dass es direkt neben dem unbelasteten kommt: jetzt kann sich das unbelastete Stag hinter die Stagreiter setzen und wenn sich die beiden Stage voneinander wieder in einer Böe lösen, können dadurch die Stagreiter, weil sie an dem Stag hinten hängenbleiben öffnen und sich vom Stag lösen).

Da der Wind eh zuzunehmen scheint, hole ich die Sturmfock raus und setze sie. Jetzt laufen wir nur noch 3-4 kn, wir haben noch 16 Seemeilen vor uns und ich habe die Befürchtung, dass der Wind noch ein wenig nördlicher einkommen könnte, wie er das die Tage vorher auch schon gemacht hat und ich möchte jetzt möglichst schnell in den Hafen, weil das Wetter sich hier eh nicht an die Prognosen zu halten scheint. Als lasse ich den Diesel mit 1000 Umdrehungen mitlaufen und sichere damit 5 kn. Es wird jetzt über Stunden ein elendes Geschaukel, weil jede seitlich einkommende Welle MISS SOPHIE mit 40 Grad auf die Seite legt, dann pendelt sie zurück auf 30 Grad der anderen Seite und so wird das die nächsten 4 Stunden auch bleiben.


Tut es auch. Aber der Wind bleibt konstant auf W und das beruhigt mich zunehmens.


Aber die Hafeneinfahrten öffnen sich bei Liepaja nach West, dahin, woher der Wind kommt. Und im Hafenhandbuch wird vor den Grundseen gewarnt, die dort entstehen können, zumindest ab Wellenhöhen von 3 Metern. Aber weiß ich, wie hoch die in vier Stunden sein werden?


Ich funke über UKW Port Control Liepaja an, schildere ihnen, dass ich ein Segelboot sei, eher klein, wo mein jetziger Standort ist und frage sie, „will it be a risk, to enter your harbour by this waves?“. Sie beordern mich auf Kanal 11, ich wiederhole dort noch einmal meine Frage und sie antworten, ich solle sie noch einmal anrufen, wenn ich vor dem Hafen stehe. Später erweist sich dies als klug und umsichtig.


Also weiter rollen auf Steuerbordseite, dann zurück nach Backbord und so weiter und so fort - Welle für Welle, bis ans Ende der Welt.


Um 20:00 Uhr haben die Wellen ihren Biss verloren, weil der Wind seit 18:00 Uhr beständig abgenommen hat und jetzt bei W 2-3 angekommen ist – selbst für die Fock wäre das zu wenig gewesen und ich hätte das Grosssegel dazu nehmen müssen.

Ich habe dazu keine Lust, weil ich dafür wieder die Sturmfock abschlagen müsste, die unsichere Fock setzen müsste und dazu auch noch das Groß – ich lasse es wie es ist, denn es ist eh nur noch eine Stunde, dann bin ich da.


Dort vor der Hafeneinmündung, die zwei Öffnungen hat, eine westliche und eine südliche, bin ich sehr verunsichert, denn beide öffnen sich nach Karte nach West, ich komme von Süden und finde sie zu mir geöffnet vor. Bin ich hier richtig? Nachschlagen bei Jörn Heinrich. Öffnung nach West. Die Seekarte sagt das Gleiche. Mein Kartenplotter zeigt mir die Öffnung nach Südwest. Ich kontrolliere noch einmal den Waypoint in der Hafeneinfahrt: Die Koordinaten stimmen – ganz vorsichtig schleiche ich mich in die Einfahrt – aber es ist sie und dann bin ich um 20:30 drin.

Um 21:00, nach 16 Stunden ununterbrochen an der Pinne, mache ich bei Liepaja Yacht Center am Ende des südlichen Hafens fest, werde dort schon von einem Mitarbeiter auf einen Liegeplatz verwiesen, er nimmt meine Leinen an, zeigt mir hervorragende sanitäre Anlagen, es gibt W-Lan und alles ist bestens.

Nur die nahe viel befahrene Brücke und die Nähe der Stadt bringen eine Geräuschkulisse mit, die ich nicht unbedingt gewünscht habe.

Seglerisch bin ich nicht ganz zufrieden mit mir: Statt zu motoren hätte ich den Rest auch unter Segel schaffen können. OK, nächsten Mal.

 

Nudeln, 2 Bier, ein paar Rum zum Abschluss und dazu dir Hörfassung von „Rausch“ von John Griesemer, CD 4-5. Um 01:00 dann zur Koje.


Bei den gehörigen Bewegungen von MISS SOPHIE auf diesem Törn muss das Pasta-Glas unten im Bilge-Kühlschrank, obwohl dort eingeklemmt – einen Salto vollzogen haben. Denn es steht jetzt dort auf dem Deckel.

Ansonsten ist alles dort geblieben, wo es hingehört – nur die Bücher im vorderen Bücheregal müssen noch etwas seefester gelascht werden.

zu den Bildern:

Bild eins und zwei unter Segeln, zwei zeigt ein bischen die Wellenhöhe, denn diese Welle verdeckt die Horizontlinie.

Bild drei zeigt den Himmel nach dem Starkwind

Bild vier die Abendstimmung im Hafen von Liepaja

Blick aus dem Fenster des Hauses von Thomas Mann in Neda (Nidda)

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Published on Juli 16th, 2011 @ 18:22:53 , using 472 words,
Blick aus dem Fenster des Hauses von Thomas Mann in Neda (Nidda)
Blick aus dem Fenster des Hauses von Thomas Mann in Neda (Nidda)
Blick aus dem Fenster des Hauses von Thomas Mann in Neda (Nidda)
Blick aus dem Fenster des Hauses von Thomas Mann in Neda (Nidda)
Blick aus dem Fenster des Hauses von Thomas Mann in Neda (Nidda)
Blick aus dem Fenster des Hauses von Thomas Mann in Neda (Nidda)

Angesagt waren ja SW 3, wir hatten aber WSW 5 (6), also Ausflug nach Neda, dem Sylt Litauens.

Und das war es auch. Kein Ramsch war hier zu finden, sondern hochwertige Kunsthandwerkprodukte und Boutiquen. Und die Häuser im traditionellen Stil Litauens und der Kurischen Nehrung.

Hier kam Thomas Mann auf Empfehlung 1929 zu einem Sommerurlaub und es gefiel ihnen so gut hier, dass sie entschieden, hier ein Sommerhaus zu bauen.

Mit dem Geld des Ende 1929 an ihn vergebenen Literaturnobelpreises wurde das Pojekt innerhalb eines Jahres realisiert und die beiden nächsten Jahre verbrachten sie hier die Sommermonate, in denen Thomas Mann an seiner  Joseph-Tetralogie gearbeitet hat. Der Blick aus dem Fenster ist der Blick, den er aus seinem Arbeitszimmer hatte.

Die Große Düne im Nord-Westen des Dorfes Neda, eine Wanderdüne, ist inzwischen mit Bewuchs versehen und in ihrer Bewegung gestoppt. Aber der Wind trägt sie langsam ab.

Vor allem durch die Häuser und die Landschaft, in die sie eingebettet sind, hat die Gegend hier einen zauberhaften Reiz.

Wir überlegen: Essen gehen? Dort, wo wir unser Frühstück, Spiegeleier mit Schinken und anderen leckeren Sachen eingenommen hatten, sah es gut aus, der Tee war hervorragend und es wurde fast nur von Einheimischen bevölkert - immer ein gutes Zeichen.

Da wir aber vorher einen Fischladen ausfindig gemacht hatten, entschieden wir uns für ein Picknick direkt am Haff, kaufen geräucherten Fisch ein und Brot, Saft, Bier und setzen uns auf eine Bank. Die nette Fischverkäuferin hat uns ausreichend Servietten und dazu auch noch Plastikbesteck mitgegeben.

Dann machen wir uns auf den Weg zur Busstation, wo wir für 10 Lit, das sind 3 EUR, eine Stunde Fahrt vor uns haben und dann mit der Fähre in unseren Hafen gelangen.

Arne, der die ganze Zeit einen 20-Kilo-Rucksack auf seinem Rücken mitgeschleppt hatte, in der ein Paragleider steckte, mit dem er hier an der Steilküste zur Ostsee eiegtnlich fliegen wollte, wegen dem starken Wind dies aber leider ungescheheen lassen musste, ist kaputt und geht in die Koje. Ich suche noch mein Internetcafe auf, schreibe meinen Blog und stelle fest, das in der Nachbarkneipe Lifemusik ist und trinke dort noch ein paar Bier.

Am nächsten Tag gweht Arne zurück nach Klaipeda und ich warte noch auf den Süd, der für den nächsten Tag vorausgesagt wurde.
Da sich das Yachtcenter zu meinen Gunsten in der Abrechnung verrechnet hatte, habe ich noch 40 LIT und die setze ich im CACADU, dem Restaurant hier am Yacht-Center, in Schwarzbier um und in eine Spezialität der Baltischen Länder: in Olivenöl geröstete dünne Brotstreifen (wie Pommes) mit frischem ausgedrückten Knoblauch bestreut. Eigentlich ein Starter, wo ein solcher Teller gut vier Personen auf das kommende Essen einstimmen kann - aber für eine Person eine leckere Malzeit.

Zu den Bildern:

1 Blick aus dem Fenster des Arbeitszimmers Thomas Manns

2 Haus der Manns in Neda

3 die große Düne in Neda

4 Blick aufs Haff

5 Haus in Neda

6 Ostsee-Strand bei Neda


 

Klaipeda. Nach 6 Wochen wolkenlosen Himmel jetzt Schlechtwetter

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Published on Juli 15th, 2011 @ 16:28:35 , using 373 words,
Klaipeda. Nach 6 Wochen wolkenlosen Himmel jetzt Schlechtwetter
Klaipeda. Nach 6 Wochen wolkenlosen Himmel jetzt Schlechtwetter
Klaipeda. Nach 6 Wochen wolkenlosen Himmel jetzt Schlechtwetter

Über die Ostsee zieht ein Schlechtwettergebiet. In allen Vorhersagegebieten außer Englischer Kanal ist mit Starkwind oder Sturm zu rechnen. Ab Mittag prasselt der Regen nur so in Eimern herab. Zeit für Bücher. Dazu aber in einem Extra-Blog.

In den Pausen bin ich mit Arne unterwegs. Arne ist Einhandsegler so wie ich, ist u.a. Musiker und macht diesen Sommer Straßenmusik. Sehr schön. Bild 1. ( www.eggsplore.de seine homepage )

Leider war am Vormittag nicht so viel los - und am Nachmittag, als Arne vor dem Memelis-Restaurant spielt, und ich im internetcafe sitze und meinen Blog schreibe, kommen spontan eine Reihe von litauischen Musikern dazu und es wird zusammen Musik gemacht. Darunter auch Victorias, eine junge Litauerin, die mit ihrer starken Stimme gerade in die Endausscheidung eines italienischen Song-Contest gekommen ist, das Ende August in Genua stattfinden soll.

Abend will die ganze Horde noch ins ROXY gehen.

An der Ecke vom Yachthafen bekommt man am Imbiss eine große, gutbelegte Pizza für 11 LIT, das sind umgerechnet ungefähr EUR 3.50.

Und als zweites Bild das Internetcafe, in dem ich zur Zeit sitze. Sehr nett, wird von jungen Leuten gemacht, schenkt aus welchen Gründen auch immer keinen Alkohol aus und es ist immer eine fröhliche zugewandte Atmosphäre hier.

Abends also ins ROXY. Das soll beim Busbahnhof sein. Nur wo ist der ?

Letztlich hilft uns ein Chilene, der als Ingenieur bei einem deutsch Energieversorger arbeitet, hier gerade Ferien macht und sein Hotel aufsucht, das beim Busbahnhof liegt.

Im ROXY ist natürlich um 23:00 noch nichts los - aber hinter der Bar entdecken wir Victoria, die hier jeden Tag arbeitet und die bald darauf hier einen Eindruck ihrer Stimme gibt. Sie ist gerade in die Endausscheidung eines italienischen Song-Kontest gekommen, der Ende August in Genua stattfinden wird. (Bild 3)

Als wir früh morgens uns auf den Weg zu unseren Schiffen machen, unterqueren wir die Brücken hier durch die überall vorhandenen Tunnel. Am Ende dieses Tunnels , der natürlich nicht beleuchtet ist, ist ein halbmetertiefer Bearbeitungsschacht offen und in der Dunkelheit nicht zu erkennen, in den ich reinfalle  und mir an der Eisenkante eine tiefe Fleischwunde ins Schienenbein haue. Dumm gelaufen und schwerzhaft.

Weil morgen immer noch schlechtes Wetter sein wird, werden wir mit dem Bus nach Nida auf der kurischen Nehrung fahren - u.a. das Haus von Thomas Mann besuchen.

Törnbericht: Aufbruch nach Klaipeda - die Dinge des Himmels und der See nehmen, wie sie sind

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Published on Juli 10th, 2011 @ 14:20:46 , using 1532 words,
Törnbericht: Aufbruch nach Klaipeda - die Dinge des Himmels und der See nehmen, wie sie sind
Törnbericht: Aufbruch nach Klaipeda - die Dinge des Himmels und der See nehmen, wie sie sind

 

Aufbruch nach Klaipeda – die Dinge des Himmels und der See nehmen, 
wie sie sind


Dieser Törn wird einer der längsten - 115 Seemeilen - ich rechne mit
ca. 30 Stunden.

Morgens um 05:00 Uhr empfängt mich ein romantischer Himmel: hinter
dunklen Wolken versteckt, beschien die aufgehende Sonne weiter weg
in zarten Pastellfarben zerfasernde Wolkenberge und es sah ein bischen
 nach Regen aus. Aber der Wind kam mit der vorausgesagten, allerdings
hier schon seit Freitag wehenden Südostrichtung - entgegen den
Seewettervorhersagen.


Die Nacht war nicht sehr lang – 4 Stunden, denn hier im Hafen war
einiges los. Erstens es war Samstag und viele polnische Yachten kamen
her, die nun alle in den Cockpitts saßen und auf vielen Schiffen wird
gesungen und gefeiert. Zweitens es war eine wunderbar warme Nacht,
die man einfach nicht schlafend verbringen kann – zumindest nicht in
dieser Atmosphäre. Und drittens war ich kein bischen Müde.
Also morgens um 5 sofort los, denn der Wetterbericht hatte diese
Windrichtung mit 3 Beaufort angegeben mit einer rechtdrehenden Tendenz
über Süd nach SW. Denn seit Tagen hielt mich hier ein aus Nord oder
Nordost kommender Wind fest, weil das die Richtung ist, in die ich
segeln muss. Nun endlich der Süd.
Draussen vor dem Hafen traf ich auf eine ausgesprochen kabbelige See,
die ich mir nur durch eine Wasserströmung aus der Danziger Bucht
erklären kann, die hier am Kap Hel auf eine entlang der Hel-Halbinsel
langlaufenden nordwestlichen Strömung trifft – denn diese Seen, die
sich hier völlig unstrukturiert auftaten und MISS SOPHIE kräftig
durchschüttelten, können für mich keine Erklärung in dem
vorherschenden Wind haben.
Aber mit Groß und Genua boxte sich mein Schiff recht tapfer durch
diese Wellenberge und als ich um 07:00 den Großschiffahrtsweg querte,
hatten mich auch die normalen weichen Wellen der Ostsee erreicht und
ich ging meinen Weg mit 5 – 6 kn.
Um 08:00 Uhr wurde der Wind weniger und ich lief nur noch 2-3 kn. Um 09:00 Uhr konnte ich schon wieder 5-6 kn laufen. Um 10:00 ging der Wind auf NW ( Hääääää?????) mit 1-2 Beaufort und
ich musste James zu Hilfe nehmen.
10:30 Wolkenbruch – es schüttet aus dem Himmel, zentimeter große
Wassertropfen
Um 11:00 konnte ich wieder mit 4 kn segeln gegen einen Wind aus E,
also ganz spitz gegenan (angesagt waren SE bis SW)
Um 12:00 kommt der Wind aus NE, meine Kurslinie, also wieder James. Ich werde etwas müde und übergebe die Steuerung an Admiral von Schneider und
hole mein Saxophon raus und spiele eine halbe Stunde – danach bin ich wieder
fitt.
Um 15:30 laufe ich mit der Genua vor einem Wind aus WNW 2. Um 16:00 setze ich das Groß dazu, weil der Wind jetzt aus NW kommt,
mit 2-3 Beaufort und ich laufe 3-5 kn.
Um 19:00 schläft der Wind ein und ich starte James. Um 19:30 habe ich die zwei in meiner Seekarte (United Kingdom
Admiralety Hydrographic Office von 2002) eingezeichneten
unbeleuchteten Tonnen virtuell querab, denn sie lagen direkt auf
meinem Kurs und da ich damit rechnen musste, sie nachts zu passieren
(je nach dem wie stark der Wind vorherrschen würde), hatte ich sie in
meinen Kartenplotter eingegeben, um sie sicher zu umfahren. Aber ich
konnte wieder Segel setzen und mit 4-6 kn vorwärts kommen.
Um 21:00 Flaute. Segel runter. Ich gönne mir auf der einfach
treibenden MISS SOPHIE nach 16 Stunden eine 15 minütige Pause.
Einfach nichts denken.
Schön gedacht – aber wie??? Damit das funktioniert, sage ich unaufhörlich zu mir selbst:
NICHTS DENKEN – NICHTS DENKEN – NICHTS DENKEN – NICHTS DENKEN.
Dabei werde ich langsamer und zum Schluss so langsam, dass ich zwischendurch
Luft holen muss.Das funktionierte.
Nach dieser Pause bin ich wieder total fitt und für die Nacht bereit. Höre den neuen Wetterbericht: Bis morgen Mittag Winde W um 3,
zeitweise umlaufend, Schauer- und Gewitterböen, und danach auf W bis
NW 4, zunehmend 5. NW – das könnte für mich sehr schwierig werden,
denn aus dem NW kann schnell Nord werden und dann kann ich meinen Kurs
nicht mehr halten – schon garnicht gegen 5 Beaufort gegenan bei der kurzen
Ostseewelle. Ich reagiere mit Magengrummeln – aber anderereseits müsste ich
eigentlich morgen Mittag schon angekommen sein.
Na schaun wir mal. Also nach dieser Pause mit James weiter. Langsam senkt sich die Nacht über mein Schiff – und ich stelle fest, dass ich
noch nie in einem so toten, unlebendigen Seegebiet gesegelt bin.
Seit meinem Absegeln nichts als Wasser. Ich bin 25 Seemeilen von der nähesten Küste entfernt – und das ist
russisches Gebiet – also am Horizont nur Wasser.
Aber auf diesem Wasser ist kein einziges Schiff zu sehen. Nichts.
Seit 14 Stunden, seit ich den Großschiffahrtsweg gequert habe, NICHTS.
Kein Sportboot, kein Fischer, kein Dampfer, keine Yacht – NICHTS. Selbst am
Horizont ist nichts zu sehen. Ich habe das Gefühl, auf einem von den
Menschen verlassenen Erdball zurück geblieben zu sein.
Langsam kriecht die Kälte auf mich zu und ich mummele mich in meine
mit Innenfutter versehene Feuerwehrjacke ein. Kein einziges Licht am
Horizont. NICHTS.
Um 23:30 kann ich Segel setzen und mit 4 kn segeln. Um 01:00 ist James wieder dran und der Wind, der eigentlich aus Süd
kommen sollte, kommt nun aus Nord und jetzt beginnt ätzendes Motoren.
Ich hasse es. Und immer wenn ich merke, das ich müde werde, schreie
ich es heraus: SCHEISS WIND, SCHEISS WETTERBERICHT. So laut ich kann.
Danach muss ich dann richtig tief einatmen und ich bin wieder für ne
Stunde oder eine Halbe fitt.
Oder ich sage so laut ich kann einen Satz zu mir selbst. Danach wieder
tief einatmen. Fitt.
Oder ich atme ganz tief vorher ein und sage dann anschwellend und
wieder leiser werdend das Koan: Oohhmmmmm – auch das wirkt sehr
belebend.
Das Starren auf die Kompassnadel ist anstrengend, denn nur ein paar Grad
Abweichung und die Genua fällt vorne ein, so spitz ist der
Segelwinkel.


Zwischendurch habe ich kleine Absencen. Dann Halluziniere ich Stimmen
und Musik. Ich höre von ganz weit weg über das Wasser zu mir dringende
Gespräche, drehe mich um, um zu schauen, ob möglicherweise ein anderes
Schiff in meine Nähe gekommen ist – aber es ist natürlich nicht so.

Oder in eine ganz bestimmt Frequenz des Motorgeräusches mischt sich
eine Saxophonstimme ein – die auch dann nicht weggeht, wenn ich mir
sage, dass ich jetzt halluziniere.
Das ist nicht beim Segeln so, nur unter Motor. Ob mein Bewusstsein
versucht, die nervenden Geräusche des Motors so abzumildern? Muss ich
mal nachforschen, ob es so etwas in der medizinischen Literatur
beschrieben gibt.
Müdigkeit macht sich dann beim Versteuern bemerkbar – ein deutliches
Zeichen dafür, mal wieder eines meiner oben beschriebenen
Belebungsprogramme zu starten.
So gehen die Stunden der Dunkelheit rum und um 02:30 sieht man an den
nicht von Wolken verhangenen Stellen des Himmels langsam den neuen
Tag heraufkommen. Aber bis es wirklich hell wurde , dauerte es noch 3
Stunden.
Der Morgen kommt mit einem völlig konturlosen mit riesigen
Wolkenbergen verhängten Himmel – eben ein ehemaligen flaches Tief,
was nun aufgefüllt wurde und zu einem flachen Hoch mutiert.
Und der Wind ist jetzt Nord, schwach, aber gegenan. Jetzt schon Nord. Ich denke an die Wetterprognose mit N 5, der erst
am späten Nachmittag kommen sollte und mache jetzt auf Tempo. Gegen
Nord 5 , der vielleicht auch noch auf NE geht, brauche ich Stunden,
um dagegen an zu boxen. Ich schiebe den James auf 1600 Umdrehungen
und stelle so sicher, dass wir 5 kn laufen. Wir haben noch 18
Seemeilen vor uns.
Die Ostsee ist jetzt ein Ententeich – selbst die dazu gehörige
Entengrütze ist hier auf quadratkilometer weiten Flächen zu sehen:
Algen.

Um 07:00 mache ich mir einen großen Tee mit Honig und esse einen Apfel
dazu.
Als ich 3-4 Seemeilen vor der Einfahrt in den Seekanal von Klaipeda
stehe, fängt es an zu wehen. NNW.
Um 10:00 Einlaufen in den Seekanal von Klaipeda. Als ich die
Border-Control passiere, werde ich angehupt und als ich langsseits
gehe, fragt er mich wieviel Personen an Bord seien und als ich einen
Finger zeige, schaut er etwas ungläubig, fragt dann nach meinem
letzten Hafen und sagt mir, wenn ich Klaipeda verlasse, solle ich
mich auf Kanal 73 bei der Border-Control abmelden und wünscht mir
hier eine schöne Zeit. Nett.


Als ich meinen im Revierhandbuch ausgezeichneten Yachthafen erreiche,
erwarten mich dort riesige Bagger und Kräne – er wird neu gebaut.
Was nun? Runter in die Kajüte, Jörn Heinrich aufgeschlagen – da ist von einem
Kastellhafen die Rede, mit Drehbrücke davor – aber wo, habe
ich noch nicht gefunden.
Also eine halbe Seemeile zurück. Als ich den Industriehafen entlanglief, habe ich kurz nach der
Border-Control ein Hafenbecken gesehen, in der Yachtmasten zu sehen
waren – mir fällt nichts anderes ein, als das zu versuchen.
Punkttreffer. Ein ehemaliges Industriehafenbecken ist für Yachten
zugänglich gemacht worden. Von diesem Hafenbecken öffnet sich der
mit einer Drehbrücke versehene Kastelyachthaven.

Um 11 Uhr fest – nach 30 Stunden mit wenigen Unterbrechungen an der Pinne.
Und ich stelle fest, ich bin fitt und munter. Zwar etwas drömelig im
Kopf und ich glaube nicht, sehr Spritziges von mir geben zu können,
aber kein bischen müde, sondern ich könnte jetzt auch noch mal 10
Stunden weiter machen.
Mache ich dann auch. An Land.
Später schreibe ich noch Tagebuch und gehe dann um 23:00 Uhr in die
Koje.
Rundherum ein Törn, wie ich ihn nicht gerne wiederholen würde wegen
der Motorerei – ansonsten aber eine gute Erfahrung, die mich bestärkt,
solche langen Törns gut zu bewältigen und sie in mein festes
Segelprogramm aufzunehmen.
Ich glaube, das meine Kraft daher kommt, weil ich gelernt habe,
die Dinge zu nehmen, wie sie sind. Auch so eine Scheiss Windrichtung.

Es ist wie es ist.

Klaipeda - ein bischen sightseeing - und eine Sturmbeschreibung von 1885

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Published on Juli 13th, 2011 @ 14:35:23 , using 397 words,
Klaipeda - ein bischen sightseeing - und eine Sturmbeschreibung von 1885
Klaipeda - ein bischen sightseeing - und eine Sturmbeschreibung von 1885
Klaipeda - ein bischen sightseeing - und eine Sturmbeschreibung von 1885
Klaipeda - ein bischen sightseeing - und eine Sturmbeschreibung von 1885
Klaipeda - ein bischen sightseeing - und eine Sturmbeschreibung von 1885
Klaipeda - ein bischen sightseeing - und eine Sturmbeschreibung von 1885
Klaipeda - ein bischen sightseeing - und eine Sturmbeschreibung von 1885
Klaipeda - ein bischen sightseeing - und eine Sturmbeschreibung von 1885
Klaipeda - ein bischen sightseeing - und eine Sturmbeschreibung von 1885
Klaipeda - ein bischen sightseeing - und eine Sturmbeschreibung von 1885
Klaipeda - ein bischen sightseeing - und eine Sturmbeschreibung von 1885

Klaipeda - diese Stadt gefaellt mir gut.

Sie ist im Gegensatz zu Polen sehr europäisch.

Und hat immer noch die alten Straßenbelege  aus den behauenen Feldsteinen.

Aber schaut selbst.

Am letzten Bild sieht man, dass hier eigentlich schon die weißen Nächte beginnen: es ist 22:00 Uhr

Für morgen ist der Durchgang eines Front vorhergesagt mit entsprechenden Regenschauern und Wind. Also Hafen und Lesen.

Und da finde ich bei Christian Herjett: "Durch Passate und Taifune, Zwölf Jahre auf Segelschiffen", das 1938 erschien und seine Zeit auf Segelschiffen zwischen 1884 und 1896 beschreibt, wie er als 14-jähriger von zu Hause weggelaufen ist und in Hamburg auf einen Segler als Schiffsjunge angefangen hat.

Als er als Koch und Leichtmatrose ein Jahr später auf der "Gesine" anheuert, die mit einer fünfköpfigen Mannschaft zwischen Nord- und Ostsee herumgondelt, schildert er, wie sie in einem Sturm vor Memel (Klaipeda) liegen:

"Ich kann wohl sagen, ich habe bei meinen Ost- und Nordseefahrten recht viele Stürme mitgemacht, und so lagen wir auch einmal vor der Mündung der Memel, um nach Memel zu fahren. Der Sturm hatte schon drei Tage und drei Nächte gewütet, und unser kleines Schiff hatte sehr darunter gelitten. Wir fuhren nur immer unter Sturmsegel.

Jetzt aber war die Gefahr, dass wir nicht die Memelmündung erreichten, sondern vorher auf Land trieben. Unsere Rufe nach Lotsen blieben erfolglos, und ohne Lotsen darf kein Schiff die Memel herrauffahren. Für uns ging es aber auf Tod und Leben. Wir machten daselbe Manöver wie vor Wolfers-Rock (mehr Segel setzen, um den Klippen zu entkommen, J.S.), und ohne die Gefahr zu achten fuhren wir in die Mündung ein und gelangten nach dreimaligen harten Aufschlagen auf Sandbänke, über welche uns immer wieder eine höhere See hinweghalf, wirklich nach Memel.

Jetzt kamen sofort Regierungsboot und Lotsenboot langseits und gratulierten uns, dass wir glücklich eingelaufen seien. Sie hätten wohl unsere Rufe gehört, aber es wäre ihnen nicht möglich gewesen, bei dem ungeheuren Seegang hinauszukommen." (Seite 46 f)

Ich führe das hier auch deshalb an, weil dieser Teil der Ostsee nicht die Ostsee des Dänemark-Segelns ist.

Das hier ist der Nordsee ähnlicher als der dänischen Ostsee und die Wellen, die sich hier bilden, entsprechen denen der Nordsee, denn der Fetch bei SüdWest entspricht der Länge bei NordWest von der südlich Ostküste  Englands bis an die deutsche Nordseeküste: ca 400 sm. Entsprechend sind auch die Berichte von Stegnachbarn, die bei 7 Windstärken hier Wellenungetüme erlebt haben, die ihnen das Grausen beibrachten.

Hel - weiter warten auf den richtigen Wind

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Published on Juli 7th, 2011 @ 12:01:24 , using 196 words,
Hel - weiter warten auf den richtigen Wind
Hel - weiter warten auf den richtigen Wind
Hel - weiter warten auf den richtigen Wind
Hel - weiter warten auf den richtigen Wind
Hel - weiter warten auf den richtigen Wind

 

 

Hel – warten auf den richtigen Wind

Hier auf der Luftdruckkarte ist gut sichtbar, dass über der gesamten Ostsee fast gleicher Luftdruck herrscht - da kann nicht viel Wind entstehen - und die vorherrschende Windrichtung bleibt zumindest bis heute Nacht.

In den letzten Tagen hat das schlechte Wetter nun die polnische Küste erreicht. Und nach dem ich 30 Tage lang wolkenlosen Mittelmeerhimmel geniessen konnte, ist es jetzt kalt, es regnet seit mehreren Tagen und der Wind kommt aus nordöstlichen Richtungen, also von dort, wo ich hin will. Also das WE war verregnet – sehr zum Mißmut der Touristen hier.

Hunderte von Schiffspassagieren kommen und gehen hier an der Kaimauer entlang zu ihren Schiffen, die entweder einen Tag Kultur in Danzig machen wollen oder aber von Danzig aus einen Strandtag in Hel verbringen. Und alle müssen an den hunderten von Ständen vorbei, die alle das gleiche verkaufen.

Ich vergrabe mich mal wieder in die Geheimnisse des Wetters und stelle immer wieder fest, dass ein 1939 geschriebenes Buch „Du und das Wetter“ das grundlegendste und verstehbarste Buch ist.

Aber am Montag war wieder Sonne, die dann aber schon wieder am nächsten Tag einem grauen Nieselregenhimmel gewichen ist.

Also weiter warten.

Hel. Warten

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Published on Juli 1st, 2011 @ 10:25:03 , using 281 words,
Hel. Warten
Hel. Warten

Gestern Abend kam dann auch bald nach meinem Einlaufen der Wind aus NW und mit 5 Windstärken und hier kam Helgoland-Atmosphäre auf:  Diese lange Beton-Kaimauer, die der Wellenbrecher ist und auf der anderen Seite die Wellen brechen lässt,  lässt unsere Schiffe in ihrerm Schutz ruhen und leise vor sich hinschaukeln. Dazu dann die auf Helgoland üblichen 5 Windstärken und ein Himmel, wie ich ihn auch immer wieder auf Helgoland vorgefunden habe.

Tja, und der Wind wird auf NE gehen, dahin, wohin ich will, nach Klaipeda.

Und für diesen Törn, der zwischen 22 und 36 Stunden dauern wird, brauche ich eine sichere handige Windvoraussage. Denn 4-5  Windstärken halte ich an de Pinne nicht 22 Stunden im Stück durch.

Na, schaun mer mal. Lesen wir halt mal wieder ein bischen.

Inzwischen ist der Wind auf 7 hochgegangen, die Gischt kommt über die Kaimauer und als ich mir ein Stück Fisch aus dem hier auf der Kaimauer angesiedelten Imbiss hole, wird mir in einer Böe die Tür förmlich aus der Hand gerissen und würde ich nicht auf einem Schiff öfters so etwas erfahren haben, wäre sie auch an die Wand geknallt.

Der Gischt ist aber eine Touristenattraktion erster Güte für die hier langgehenden Touries, die von oder zu ihrer Fähre nach Gdanks müssen. Plötzlich ohne es zu ahnen sind sie plötzlich nass - sehr zum Vergnügen der davon verschonten.

Das sind die Zeiten, wo es unter Deck besonders gemütlich wird, wenn man in einem sicheren Hafen liegt.

Um 16:00 Uhr sind die Böen 8 Windstärken.Und es regnet.

War da irgendwo in der Wettervorhersage die Rede davon?

4 - 5 waren angesagt.

Das macht mich in Bezug auf die Vorhersagekraft des Wetterberichtes etwas nervös. Das auflandig auf dem Weg nach Klaipeda würde mich in eine Katastrophe führen.

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